Amour fou in Málaga

Annika Höller

von Annika Höller

Story

Gitarrenklänge. Orientalische Bögen. Und die atemberaubende Alhambra vor der schneebedeckten Sierra. O, herzallerliebstes Granada! Diese andalusische Stadt war einmal meine Heimat. Gute zwei Jahre lang.

Unvorstellbar, wenn ich heute daran denke. Nicht nur wegen Corona, sondern, weil mir diese Zeit bereits wie ein anderes Leben vorkommt. So viel ist seither passiert: Zunächst eine Episode in Wien. Lernen, bei McDonalds arbeiten, Studium beenden. Dann eine Episode zurück am Land. Bewerbungen, für eine Zeitung schreiben, kündigen, mich selbst verlieren, mich selbst finden. Für Erinnerungen an Spanien blieb nie Zeit. Vielleicht auch besser so, denn sie schmerzen immer noch. Wer weiß, wo ich jetzt wäre, hätte ich damals einen Job ergattert und durchgehalten. Vielleicht würde ich just in diesem Moment die verschlungenen Pfade zur Alhambra hochschreiten. Aber die vielen Bewerbungen waren seinerzeit alle umsonst, das Vergessen meines Exfreundes mühsam. Und so packte ich irgendwann wieder die Koffer.

Was viele nicht wissen: Zwischen der schmerzhaften Trennung und dem Entschluss, das Studium doch in Wien zu beenden, lagen nicht nur einige Monate, sondern auch eine Sommerromanze.

Zu jener Zeit kehre ich Granada hin und wieder den Rücken, denn es ist zugepflastert mit Erinnerungen. Ich fahre hinunter zur Küste. Ins locker-leichte Málaga. In dieser Stadt habe ich vor meiner Zeit in Granada vier Wochen verbracht – auf Sprachkurs mit vielen, netten Menschen. Ich verbinde also nur Positives mit ihr und als ich sie damals zum ersten Mal nach einiger Zeit wieder besuche, blühe ich sofort auf. Ich lerne eine Deutsche kennen. Auf Sprachkurs. Wieder einmal. Und es ist, als begegnete ich damit meinem alten Ich. Im Schlepptau hat sie zwei junge Männer. José und Andrés. Wir ziehen um die Häuser. Gehen in angesagte Clubs. Sitzen am Strand. Lachen viel. Ich habe den Vorteil, schon gut Spanisch zu sprechen und mein andalusischer Dialekt amüsiert sie. Mit Andrés verbindet mich sofort etwas und so tauschen wir unsere Nummern aus. In den folgenden Wochen fahre ich viele weitere Male nach Málaga. Ich esse mit seinen Eltern Tortilla de Patatas. Ich lache mit seinem beeinträchtigen Bruder im Rollstuhl über spanische Kinderserien. Ich lerne Andrés‘ Verwandtschaft bei einem Fest in der Altstadt kennen. Ich proste ihnen mit einem Glas Rebujito zu. Ich glühe mit José und Andrés mit Tinto de Verano für die Feria vor. Ich schwimme im Pool der Wohnanlage seiner Eltern. Ich mache mit der Familie einen Ausflug zum Strand. Ich schlafe neben Andrés im Bett ein. Ich fühle mich gemocht und akzeptiert.

Wie die Geschichte ausging? Nun, wie so viele Sommerromanzen, war auch sie irgendwann zu Ende. Sie verlief sich im Sand. Jeder von uns hatte viel für die Uni zu tun. Ich hatte eine innerliche Krise, hatte Spanien plötzlich satt, wollte mich bewusst an nichts und niemanden mehr binden.

Aber ich erinnere mich noch heute an diesen schönen Sommer. In Málaga.

© Annika Höller 2021-04-27