An apple a day…

HelgaP

von HelgaP

Story

Laut heutigem Zeitungsbericht bezüglich Selbstversorgungsgrad von Kärnten lese ich, dass nur 6 Prozent des Apfelbedarfes durch Eigenproduktion abgedeckt wäre.

Ich gehe vor die Haustüre und lasse meinen Blick über die Streuobstwiese vorm Haus wandern. Knorrige alte Äpfelbäume, die schon zu meiner Kindheit da waren, jüngere Exemplare, die zur Geburt meiner Kinder gepflanzt wurden, ganz junge, die meinen Enkeln gewidmet sind. Ich denke an den Herbst, wo ich mit G tagelang mit der Apfelernte beschäftigt war. Er war der Schüttler, bewaffnet mit Helm und langem Hakenstock. Ich, die Sammlerin ausgerüstet mit Drahtkorb und Säcken, in die die Äpfel dann mit dumpfen prallem Klang hinein rollten. Nachmittage lang waren wir im Apfeleinsatz. Die Bezahlung pro Kilogramm lag dann im Durchschnitt bei satten 10 Cent pro Kilogramm. Wenn wir uns müde und mit wehen Rücken vorrechneten, welchen Stundenlohn wir für unsere Arbeit erreichten, stellten wir kopfschüttelnd fest, dass wir dumm oder idealistisch wären. Doch feinste Bioäpfel, auch wenn sie dem Kaufideal von Otto Normalverbraucher nicht entsprechen, einfach verfaulen zu lassen, bringe ich nicht übers Herz. So werden meine Äpfel für die Herstellung von Apfelsaft oder Apfelmost veräußert.

Natürlich kann es beim Verzehr einer unserer Äpfel passieren, dass man bei einem herzhaften Biss in die rote Apfelbacke auf einen verstörten Wurm trifft. Nicht sehr erfreulich und appetitanregend. Doch dass der wunderschöne Apfel vom Supermarkt eine mindestens zehnmalige Pestizidbehandlung hinter sich hat, ist auch keine ansprechende Gaumenfreude.

Ein Nachbar, der in Schulnähe eine Wiese voller Apfelbäume besitzt, wollte den Schulkindern im Rahmen eines Projekttages eine gesunde Jause zukommen lassen. Er pflückte die schönsten Äpfel und diese wurden den Kindern als Nachmittagssnack angeboten. Laut meinem Nachbarn war das Echo für seine gut gemeinte Aktion so gering, dass er, wie er selbst zitierte „am Boden zerstört war”. Nur eine Handvoll Kinder zeigte Interesse an den schönen Früchten. Auf die Frage an ein Kind, warum er keinen Apfel wolle, kam die Antwort, dass die gekauften aus dem Geschäft viel schöner wären. Mein Nachbar hat sein Projekt nicht mehr wiederholt.

Wie man den Weg des Apfels vom Baum zu den Konsumenten erfolgreicher machen könnte, weiß ich auch nicht. Für Direktvermarktung habe ich als Berufstätige leider keine Zeit. Doch die Zeit des Selbstpflückapfels wird vielleicht noch kommen. So erfreue ich mich bis dahin selbst an meinen eigenen Äpfeln. Mein Versorgungsgrad diesbezüglich ist 100- prozentig gedeckt. Anstatt wie viele Nachbarn die Apfelbäume zu fällen, bleibe ich Idealist und Apfelbaumbesitzerin. Zurzeit züchte ich gerade aus den Kernen eigener Äpfel Bäumchen, die dann in einigen Jahren ihre ältesten Kollegen ersetzen sollen. Ich bin schon gespannt, welche Apfelkreationen sich da ergeben werden.

© HelgaP 2022-03-27

Hashtags