An der Grenze | Teil 3

Christopher Schmidt

von Christopher Schmidt

Story

Da ist Justin wieder, fragt nach den Bären und ich bin erstaunt, dass er es sich gemerkt hat. Er gibt mir eine Zigarette, ich sage, dass ich aufgehört habe, er gibt mir trotzdem eine. Kurz skizziere ich unsere Mission, mein Engschlich ist nach 7 Jahren in Deutschlands Hinterland eingestaubt, aber ich denke, er versteht mich. Bin angetan von seinem britischen Akzent. 20 ist er, sagt er und ich bin mir nicht sicher, ob er weiß, worauf er sich einlässt. Doch das tut er, denn er will nicht in den Krieg ziehen, er kommt davon her.

Die letzten zwei Wochen war in Kiew und hat gekämpft. Probleme zuhause mit der Familie habe er, hat eine Ausbildung bei der RAF – nicht den deutschen Terroristen, sondern der englischen Armee. Ein echtes Gefecht hat er erst hier erlebt. Er zeigt mir Videos aus seinem Handy, von Katakomben unter der Stadt, in denen er die letzten zwei Wochen gehaust hat. Mich erinnert es an die Rückblenden von Terminator. Ihn wohl nicht. Er will einfach nur mal schlafen, in einem richtigen Bett liegen.

Ich sage kaum was, höre zu. Man merkt, dass er reden muss. Er erzählt mir viel. Von russischen Spionen, die ausländische Kämpfer anlocken und in Transporter ziehen, sie foltern und den Schädel einschlagen. Von Kindern am Bahnhof, die mit ihren Eltern flüchten und glauben, sie fahren einfach übers Wochenende wohin. Er kommt aus Lincoln sagt er. Ich kenne zufällig eine Band aus der Gegend, damals, aus meinen Zeiten in der Hardcore Szene. Fühlt sich wie ein anderes Leben an. Doch meine Tätowierungen konservieren die Erinnerung. Auch Justin hat welche. Einen Anker hinterm Ohr, buntes Irgendwas auf seinem Handrücken.Ein Anruf aus Deutschland unterbricht unser Gespräch.

© Christopher Schmidt 2022-06-05

Hashtags