spielte ich auf meinem Klavier und sah die Burgruinen und spürte den Wind. An der Saale hellem Strande sind wir nicht gelagert, aber überquert haben wir sie auf unserem Weg in den Norden.
An der Saale hellem Strande
Stehen Burgen stolz und kühn.
Ihre Dächer sind zerfallen,
Und der Wind streicht durch die Hallen,
Wolken ziehen drüber hin.
Deutsche Romantik in Liedern, Bildern, Literatur und Landschaft begleitet meine Reise. Kornmuhme bist du es, die diese weiten Kornfelder beschützt mit diesem unwiderstehlichen lilablau der Kornblumen, den mohnroten Rändern, die das Grün der jungen Saat oder das Gold der reifenden Ähren umsäumen. Ich hätte so gerne angehalten und festgehalten. Alleen durchqueren die Fülle – ‚links sind Bäume, rechts sind Bäume und dazwischen Zwischenräume‘ (Kinderlied). Die Zwischenräume sind offen für die Weite, die Felder, die Kirchtürme, die Seen – die Mecklenburgische Seenplatte.
Die Windräder sind die Mächtigen. Sind sie es, die die Wolken verwirbeln? Oder doch der Wind, der die tiefer gelegenen Ballungen dahinjagt. Darüber lächeln die statisch bleibenden Schäfchenwolken. Die Sonne findet ihre Lücken. Wir haben Wetter. Bemüht um unser Wohl erfahren wir von der Reiseleiterin jeden Morgen Wettervorhersagen – von bewölkt und Regengüssen, bis Wind und Sonne – einfach Wetter ist mein Gedanke. Das Wetter ist frei – Freiheit, ein Thema, das mich immer wieder einholt. Ein Land, das unter dem Nationalsozialismus fast zerstört, als DDR zur kommunistischen Gleichheit befreit wurde und heute immer noch den Anschluss an die kapitalistische Gesellschaft sucht, aber die Zwänge der Volksherrschaft noch nicht ganz ablegen konnte.
Es ist ein schönes Land, es ist ein Land, das Zukunft hat, wenn es sich seiner landschaftlichen Schönheit und seiner Werte bewusst bleibt. Ich habe ihn gespürt diesen Geist – Frieden, aber nicht einen diktatorischen wie den ‚Stralsunder Frieden‘ der Hansestädte mit dem gedemütigten dänischen König. „Lernt Geschichte“ würde Kreisky sagen, wenn der Vorschlag gemacht wird, in Stralsund zwischen Russland und der Ukraine einen ‚Stralsunder Frieden‚ zu finden. Der Ort wäre ja gut, aber nur ein Friede auf Augenhöhe ist beständig.
Ein begeisternder Stadtführer hat uns diese Geschichte und viele andere über seine geliebte Heimatstadt Stralsund erzählt. Die ganze alte Stadt Stralsund ist Unesco-Weltkulturerbe und das verwundert nicht. Ein prächtiges mittelalterliches Giebelhaus steht neben dem anderen. Die Höhe der Kirchtürme, die Fassaden der Bürgerhäuser und das Rathaus sind Zeugen der ruhmreichen Vergangenheit dieser bedeutendsten Hansestadt. Um sich und ihre Waren auf den langen Handelsreisen über die Meere und quer durch Europa zu schützen, begründeten norddeutsche Kaufleute im 11. Jahrhundert die sogenannte Hanse. Umgeben von Wasser und nur über eine Brücke erreichbar war Stralsund uneinnehmbar. Sogar Wallenstein hat sich an der Stadtmauer die Zähne ausgebissen, was heute noch ausgiebig in historischen Festen gefeiert wird.
© Christine Sollerer-Schnaiter 2023-06-29