„An die Wand fahren“ – Wer will mit?

Klaus Schedler

von Klaus Schedler

Story

Corona. Es ist Sonntagmorgen, der 15. November 2020. Trübes Wetter bei 2°. Alles ist still. Auf der Bettkante sitzend schaue ich aus dem Fenster. Der Wald ist im Nebel kaum zu sehen und eben geht Nachbars Katze durch die Wiese. Nun also stehen wir vor einem zweiten Lock-Down.

Für mich wird sich nicht allzu viel ändern. Seit der Pension lebe ich ganz allein in unserem uralten Haus im Waldviertel, während es meine liebe Ehefrau vorgezogen hat, bei den Freunden, Kindern und Enkelkindern in Wien zu bleiben. Schon im Sommer habe ich die Treffen mit hiesigen Freunden eingestellt. Meine Sozialkontakte beschränken sich eigentlich nur noch auf die beiden täglichen Telefonate mit meiner Frau. Unsere sonst üblichen Wochenend-Besuche gibt es auch nicht mehr.

Als ich gestern in den Abendnachrichten die Bilder von der Pressekonferenz mit dem sattsam bekannten „Corona-Quartett“ unserer Bundesregierung sah, war ich ziemlich verärgert, denn ich hätte mir mehr Information erwartet, als das, was man ohnehin zuvor bereits, auf wie gewohnt rätselhafte Weise, an die Medien hatte durchsickern lassen.

Beruflich war ich über lange Zeit in der empirischen Sozialforschung gewesen und das dort eigentümliche Denken ist mir bis heute ebenso geblieben, wie die Liebe zu Tüfteleien. Täglich befasse ich mich jetzt mit den neuen Daten aus dem Download-Center der AGES und breche sie auf meinen Bezirk herunter. Ursprünglich war ich der Auffassung, dass sich unsere Randlage und die schlechte Verkehrseinbindung günstig auf das Infektionsrisiko auswirken werde. Als es dann wider Erwarten Mitte September ein Cluster auftrat, hielt ich dies für einen bedauerlichen Einzelfall und tatsächlich schien sich das Geschehen zunächst zu beruhigen.

Erschrocken musste ich jedoch Anfang Oktober feststellen, dass die Infektionen anfangs noch kontinuierlich, bald jedoch explosionsartig zu wachsen begannen. Um mich noch besser zu schützen, nehme ich seitdem anstelle eines Einkaufswagerls meinen Rollator im Supermarkt. Noch mehr geht wirklich nicht!

Nach dem Lock-Down im Frühjahr hatte ich angenommen, dass man doch sicherlich aus den dabei gewonnenen Erfahrungen lernen werde: Man werde die Qualität und Vergleichbarkeit der Datengrundlage verbessern. Auch wird man eine Wirkungsanalyse der national und international getroffenen Einzelmaßnahmen durchführen und nicht zuletzt wird man die informationstechnischen Kapazitäten für die Meldung der Gesundheitsdaten zeitgerecht aufrüsten.

Zugegeben alles Maßnahmen, die bei Politikern als schwer verkäuflich gelten und für eine Pressekonferenz des „Corona-Quartetts“ ungeeignet sind. Jetzt bekommen wir die Rechnung dafür präsentiert, dass wir anscheinend zu wenig aus dem ersten Lock-Down lernen wollten.

Jetzt aber gab ich mir einen Ruck: „Na, hoffentlich erlebe ich noch das Eintreffen meiner schon im September in der Apotheke bestellten Grippe-Impfung. – Nun aber erstmal Frühstück machen!“

© Klaus Schedler 2020-11-15