von MrsAstridWu
5 Uhr 45, dank der senilen Bettflucht und der wunderbaren Ruhe, joggt Gernstl dem enterischen (gespenstisch schön, ….) Sonnenaufgang entgegen, ruhig und diesig (dunstig, leichter Nebel am Morgen) liegt das malerische Hügelland im tiefsten Innviertel vor ihm. Herrlich! Dort und da Feldhasen, Spitzmäuse und Rehe die den kühlen und stillen Morgen nutzen, um sich geeignete Verstecke für den Tag zu suchen. Dämmerungsaktiv, zwischen Tag und Nacht füllen Sie den Wald und die Hügel mit Leben.
Der Gernstl selbst sieht auch ein bisschen aus wie ein Kauz mit zerknittertem Gesicht, die blonde Version von Columbo, was ihm im Dorf schon den Spitznamen Herr Inspektor eingehandelt hat. Ein bisschen stimmt das auch mit dem Inspektor, weil er Archäologie studiert hat beziehungsweise versucht hat Archäologie zu studieren, und da muss man schon den einen oder anderen Mordfall aufklären. Natürlich sind diese schon längst verjährt aber dem Gernstl hat das immer besonders gut gefallen.
Neun Jahre ist es nun her, dass er das regnerische Salzburg verlassen hat, um sich im idyllischen Walchshausen niederzulassen. Natürlich der Liebe wegen ein Stodtinger (Stadtmensch) verlässt nicht so leicht seine heimatlichen Gefilde und schon gar nicht das wunderschöne Salzburg. Der Kampf als Zuagroaster (Zugereister, jemand der nicht im Ort geboren ist) akzeptiert zu werden war lange aber schließlich, auch aufgrund der vermehrten Sympathie zwischen Salzburgern und den Innviertlern, geschafft. Nun vollwertiges Mitglied der Dorfgemeinschaft auch liebevoll Dorfies genannt, auch wenn er dort und da noch als Stierwascher* enttarnt wird.
Der Ausdruck Stierwascher geht auf eine Salzburger Legende zurück. Um 1525 wurde die Festung Hohensalzburg von den Aufständischen fremden Kriegsknechten belagert. Die massiven Stadtmauern jedoch hielten die Eindringlinge ab. Deshalb sollte die Stadt ausgehungert werden, es konnte kein Lebensmittelnachschub mehr hineingelangen. Die Salzburger erkannten die Absicht, es wurde ein strenges Fastengebot verhängt und der letzte übriggebliebene braunweiß gefleckte Stier wurde auf die breite Festungsmauer getrieben, anschließend braun angemalt und nächsten Tag wieder auf die Mauer getrieben, am nächsten Tag pechschwarz angemalt, anschließend weiß. Der Feind war nun der Meinung, dass die Salzburger noch immer über genügend Nahrungsmittelreserven verfügten und zogen ab.
Die Bürger jubelten und führten den Stier zur Salzach und wuschen ihn so lange bis er wieder braun weiß gefleckt war.
Und die Moral, besonders für Gernstl, wie es ihm als Salzburger in die Wiege gelegt wurde, aufgeben tut man nur einen Brief!
Auf jeden Fall steht fest, dass er als Stierwascher noch das bessere Los gezogen hat.
Seit ewigen Zeiten sind eben die größten Feinde der Innviertler die Landler und die Sauwaldler. Als Salzburger hat man eigentlich ‚a gmahde wiesn‘ (eine gemähte Wiese=leichtes Spiel).
© MrsAstridWu 2021-05-30