von N Raoul
Sie verkennen die Angst, die sich mit uns seit Jahren manifestiert, sie unterschätzen diese viel zu leicht, dieses Gefühl, das seit der Geburt anfängt zu wachsen. Ich triggere mich jedes Mal selber, und es gefällt mir still, denn es ist die Vorkostung der Dornen an der goldenen Rose, im riesigen Halbmond. Ein schöner eiskalter Kuss.
Milliarden Ängste und alle können wir theoretisch fühlen. Aber Sie verstehen sie falsch, regelrecht verachten sie sie, wir leben in Angst, alles, was in unserer Umgebung ist, ist aus Angst geschaffen, Angst ist unsere Natur. Mut ist Angst, und am Anfang steht sie als Erstes da.
Die Fesseln der Freiheit, die Sünde der Unsterblichkeit, unsere Denkmuster, die Tapferkeit ist nachstabilisiert, und Krankheiten entstehen aus der Gesellschaft und ihrem Verständnis der Angst. Irrtümlich weggewischt, und dabei fast im Verdacht, das Leben sei nur ausgedacht.
Angst hält die Macht, Angst heilt dir Wunden. Wenn der erste Mensch sprach, was würde er sagen, was hat er gefühlt? Wenn der letzte Mensch etwas sagen würde, was hat er gefühlt?
Tief verankert in der Dimension der Würde, im Gefängnis der Illusion des unkomplizierten Mutes, Scham und voller Niedertracht, in Sorge des Todes, des Versagens, steht auf – es ist doch nur Angst. Ich weine, und ich weiß, ihr tut es auch, im eiskalten Geruch, der Schweiß, der durchfließt, das Blut, das in dir strömt, das Herz, das bebt – aber etwas, was nie vergeht: schöne Furcht, schöne Frucht, Sünde der Wurzel.
Leben ohne zu denken, leben ohne zu fühlen. Sie wollen es wissen, ich nicht, ich kann es nicht verstehen, ein Mechanismus für mich konzipiert, wie eine KI eingestellt auf kinderleicht – wozu? Zum Erleben, was mir gefällt, und nicht mal das kriege ich hin. Kulturell erzogen, aber nicht für diese Welt, Gedanken zu klein für diese großen Wörter.
Aber bin nachts aufgestanden, und laufe durch leere Straßen, und ich frage mich: So schlimm ist es nicht, so unvorstellbar war es nicht. Die Dunkelheit, im Nichts verschwinden, nichts versprochen, und das Konstrukt fühlt sich an, als wäre es gebrochen. Ich versteife, begreife, atme und sehe, ich schwebe, verzerrt und schwindelerregend, und irgendwas muss kommen. Blut, Venen zu tief, höre mich, als ich rief, im Lichtschatten der letzten Zeit, fühle ich ein Herz, das bebt, mich wiederbelebt. Ich – ich weiß es nicht, aber das ist alles normal.
Puh, anscheinend gibt es das nicht, und man kann es heilen, und ich schlucke Medikamente ohne Ende. Aber nein – es war Angst, die Angst von allen, eine Tugend, ein Reflex. Warum werde ich dafür bestraft? Warum bin ich angeblich der Einzige, der es fühlt? Oh, ein Mensch zu sein – ich bin zu weit. Richtig, schließ es zu, unterdrücke es tief blutig rein, oh …
Ich schrei lauter, höre mich, als ich rief.
Ach oh, wundervolle Angst – ich bin wach. Danke, dass du da bist. Ohne dich hätte ich nicht überlebt. Eiskalter Kuss unüberlegt.
© N Raoul 2025-07-03