An Thomas Bernhard vorbeigeschrammt?

Oliver Fahn

von Oliver Fahn

Story

Frühester Morgen. Gefährliche Zeit. Nach Antworten suchende Stunden. Hat der Zeitgeist V. abgehängt wie Gutenbergs Buchdruck? V. will Bernhard zum Subjekt seiner Literatur machen. V. schreibt wie er. Im Kern. Seitenlange Sätze. V. ist ein behäbigerer Bernhard. Ein träges Double, das Bernhards literarischer Tauglichkeit nachstellt.

Viele Downloads, ungelöschte Fotos. Proppenvoll sein PC. Er entstammt einer Epoche, die durch Verzögerung Gelegenheit zum Nachdenken bot. Ungeduldiger V. präferiert weiße Blätter. Auch Bernhards Wortschwall kommt ohne Zierrat daher. Willst du wissen, wie ein Falke aussieht, guck ihn dir an! Kargheit ist sein Element.

Verliert V. Würde, sofern er ein Versagen an geistiger Gleichrangigkeit eingesteht? Bandwurmsätze entziehen sich hier und heute seinen Gehirnwindungen. Das Arrangement erster Worte plättet ihn. Sehnsucht nach Ebenbürtigkeit erschlägt V. Ein Satz Bernhards ist fast imstande, ein Buch zu füllen. Jetzt kommst du. Sagt sich V. Bernhards Eingängigkeitssound könnte V. zur Produktion von Hymnen animieren. Allein ihm fehlt es an Umsetzungsgabe. Seiner Begriffsstutzigkeit ein Talent für Suaden anzurechnen, gelingt V.

Sind Bernhards Hörbücher V. geltende Literaturstunden? V. ist entschlossen, seinen einfältigen Geist bis in den hintersten Winkel auszubeuten. Scham hat V. in tiefster Finsternis eingemottet. Zu heroischen Geistesleistungen will er sich aufschwingen. Daraus resultierendes Selbstmitleid erreicht Pegelstände, die sogar bei Hochwasser nirgends vorkommen.

V. sieht sich verpflichtet, Bernhard zu imitieren. Von Fachärzten wird seine Gewöhnlichkeitsflucht als Hybris klassifiziert. V. ist bemüht, Gedankenlosigkeitsanflüge mit vermehrtem Lesen zu tilgen. In gebetsartigen Selbstgesprächen versucht V. Bernhard sein Unvermögen nahezubringen, sich dessen Buchtitel zu merken. Sein exorbitantes Bedürfnis, Bernhards Fans zu übernehmen, titulieren Mediziner als pathologischen Gipfel.

Neuerdings fängt V. damit an, wie ein Zeuge Jehovas Häuser abzuklappern, um bernhardunbedarften Bürgern Anhängerschaft einzureden. Die Überzeugung, er könne ihr Idol werden, ist zweifelsohne schrankenlos. Die Einführungslust einiger Gesprächspartner in die Welt der Tatsachen, zieht unbeachtet an V. vorüber. V. hat sich einen realitätsentrückten Willen gezimmert. Von ihm an der Tür belästigte Menschen können ihn nicht stutzen. Mit antrainierter Prätention entsagt er sich ungnädigen Urteilen. Abfällige Äußerungen verdaut er wie Brei. Seine Poren schwitzen jungfräulichen Optimismus. V. will als authentischster Nachahmer enttarnt werden.

Temporäre Amnesie. Totalversagen bei einem Endlossatz. Hat Bernhard derartige Satzbauten entwickelt, um Simplifizierungsvorwürfen zu entgehen? Wer zerrt V. am Arm? Er kriegt Fiebersaft. Maßnahmen werden ergriffen, um V. davon abzubringen, Bernhard müsse sich zu ihm positionieren.

© Oliver Fahn 2022-05-02

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