Ich war schon spät dran auf dem Weg von einem Seminar von Linz nach Wien. An diesem Tag war der Maturaball meines Neffen, und ich wollte unbedingt dabei sein. Keine Chance. Ich musste mich in letzter Minute schweren Herzens entschuldigen. Es gab zum Glück noch eine Schwester, die als Tante des Maturanten die Stellung hielt. Und wie! Bei der Verlosung der Tombola und der Verkündung des Hauptpreises hielt sie den Atem an. Auf ihrem Los stand genau die Zahl, die soeben ausgerufen wurde. „Wir haben 14 Tage Aufenthalt in einem Chalet in Fort Meyers in Florida für vier Personen gewonnen!“, verkündete sie mir am nächsten Tag freudig. Da gab es nicht viel zu überlegen: M., der Maturant, meine beiden Schwestern und ein Schwager würden die Reise über den Atlantik antreten. Aber nicht ohne mich! Von den Pyramid Houses war noch eines frei, und so war es beschlossene Sache, dass wir drei Schwestern mit unserem Neffen gemeinsam einen Urlaub in den USA verbringen würden. „Mein Schulenglisch braucht aber eine Auffrischung“, meinte die Jüngere. „Und meines erst!“, stöhnte die Ältere. „Dann werden wir eine kleine Englischgruppe bilden“, war mein Angebot. Der Stein war ins Rollen gebracht. Es sprach sich schnell im Bekanntenkreis herum. Die Gruppe der Lernwilligen wuchs. Das Dachgeschoss in unserem Haus funktionierte ich kurzerhand zu einem Lernatelier um. „Wir denken Schule neu!“, war mein Credo. Wir wollten innovativ und aktiv sein, lernerzentriert und lebensnah. Ohne Druck und mit viel Spaß. Ich lud Sarah aus den USA ein, damit die englische Sprache etwas von ihrer Künstlichkeit unter Deutschsprechenden verliert. Dass sie selbst den Weinviertler Dialekt vorzüglich beherrschte, erfuhren die Teilnehmer_innen erst am Ende des Kurses. Woche für Woche kramten die Erwachsenen ihr schon verstaubtes Vokabular hervor, bei Rollenspielen und Hörübungen, beim gemeinsamen Kochen und beim Texte lesen. Aus meiner methodisch-didaktischen „Werkzeugkiste“ baute ich alles ein, was ich für erfolgversprechend hielt. Unsere abendlichen Lerneinheiten ließen wir mit Small Talk bei Speis und Trank ausklingen.
Dann war es endlich soweit: Ende Juni hob der Flieger ab in Richtung USA. An Bord war der Maturant, der endlich seine Maturareise antreten konnte. Noch nie zuvor hatte ich mit meinen beiden Schwestern einen gemeinsamen Urlaub verbracht. Noch nie zuvor hatten wir den amerikanischen Kontinent betreten. Die Pyramiden-Bungalows waren genau nach unseren Vorstellungen. Von dort aus unternahmen wir mit einem Mietauto viele Ausflüge, unter anderem zum Miami Beach und zum Kennedy Space Center. Die Everglades und die Feierlichkeiten rund um den Independence Day hinterließen unvergessliche Eindrücke.
Das Kreative Lern-Atelier, das noch einige Jahre danach lernwillige Englischstudent_innen, vorwiegend Senior_innen, beglückte, steckt in den scheinbar sinnlos aneinandergefügten Buchstaben meines Pseudonyms Krele-Art. Und woher kommt das „r“, das das Lernen zur Kunst erhebt, werdet ihr euch fragen? Vom Anfangsbuchstaben meines Familiennamens. Es war so frei und hat sich einfach ins Atelier gedrängt.
© Gabriele_Krele-Art 2023-07-13