Andalusische Trilogie – Ronda I

Story

Es gibt Orte, die nur ein ganz klein wenig schöner sind als andere, ein ganz klein wenig ausgefallener und spezieller vielleicht, und die doch die anderen Orte um ein Vielfaches überragen an Berühmtheit und Beliebtheit, oft über Jahrhunderte hinweg. Ein solcher Ort ist Ronda, unweit des lauten, übertouristischen Malaga, hoch oben in den Bergen, aber in einer Lage, die es doch noch besonderer macht als all die anderen Bergdörfer und -städtchen, die auf einem Hügel oder Felsen liegen und die man als die “weißen Dörfer” Andalusiens kennt.

Denn Ronda liegt gleich auf zwei Felsplateaus, die durch drei Brücken verbunden sind. Eine stammt schon aus der Römerzeit, als der Ort Arunda hieß, eine aus dem Mittelalter, als die Mauren über Andalusien und fast ganz Spanien herrschten, und eine erst aus dem 18. Jahrhundert, weshalb man sie heute noch die “Neue Brücke” nennt. Bei so viel Geschichte – immerhin gibt es Spuren bis zurück in die Altsteinzeit – ist sie wirklich noch als neu zu bezeichnen. Diese neue Brücke verbindet die beiden Teile des Städtchens auf ihrem höchsten Punkt, sodass man bequem von einem Teil zum anderen gelangen kann, während man zu den beiden anderen zuerst weit hinunter und dann wieder weit hinauf steigen muss.

Ronda hockt also auf zwei Felsen, die sich weit über die Umgebung erheben. Schon aus der Ferne ist das Städtchen ein spektakulärer Anblick, millionenfach festgehalten auf Fotos und Bildern. Tief unten in der Schlucht hat der kleine Fluss, den man zwischen den riesigen Felsbrocken, die im Laufe der Jahrhunderttausende von den Felsrändern hinabgestürzt sind, selbst im März kaum noch Wasser. Es ist heiß hier bis in den Abend hinein, und man mag sich gar nicht vorstellen, wie heiß es hier erst im Sommer sein wird, wie wenig Wasser der Fluss dann noch haben wird, wenn er es nicht überhaupt ganz verloren hat, und wie wenig Schatten die kleinen Pomeranzenbäumchen bieten können, die hier überall die Straßen säumen. Pomeranzen sind bittere Orangen, die man so gar nicht essen kann, man verarbeitet sie höchstens zu Marmelade, wie sie die Engländer lieben, aber diese hier entlang den Straßen fallen einfach ab und werden im Staub zertreten. Aber als Fotomotive sind sie sehr zu gebrauchen und man fühlt sich als gebildeter Mensch an Goethe erinnert, der von Sizilien schrieb, man sehe im dunklen Laub die Goldorangen glühen. Und auch in Spanien blühen die Zitronen. Nur Goethe war niemals hier.

Auf der Dachterrasse des Hotels neben der Stierkampfarena trinkt man abends Sangria. Von oben blickt man in das sandgefüllte Rund. Die Arena ist sehr alt, angeblich die älteste Spaniens, aus dem 18. Jahrhundert, und noch im Originalzustand, einzigartig mit ihren überdachten Zuschauerbereichen, die wie Theaterlogen wirken. Hier wurden damals die Regeln des modernen Stierkampfs zu Fuß erfunden.

Und weit hinten über den fernen Bergen geht die Sonne unter, der gelbe Sand in der Arena wird dunkler, das Sangriaglas ist auch schon längst leer.

© 2023-03-31