Anderwärtig

Thomas Paar

von Thomas Paar

Story

Seit diesem Sommer habe ich meinen Fußballkonsum deutlich zurück geschraubt. Schuld daran war die immense Kostenexplosion, mit der man mir mein Geld aus der Tasche ziehen wollte. Ich verfolge meinen Lieblingsclub nach wie vor, doch größtenteils nur mehr über Artikel in Apps oder auf Webseiten. Da man sich Tore mit ein paar Zeilen schwer vorstellen kann, hilft mir YouTube hier und da freundlicherweise gerne aus. So wird es mir immerhin ermöglicht die wichtigsten Szenen, die meistens in vier bis sechs Minuten gequetscht werden, zu sehen.

Seit ein paar Tagen, rollt der Ball nun auf der größtmöglichen Bühne. Dieses kontroverse sportliche bzw. wohl eher schon politische Event habe ich von Minute eins an boykottiert. Ganz selten, bin ich mit so einer Überzeugung und reinen Gewissens hinter einer Entscheidung gestanden, wie hinter dieser. Ich werde hier jetzt nicht meine Beweggründe auflisten, weswegen es für mich die einzig richtige und vertretbare Entscheidung ist. Denn alleine damit könnte man ein Buch füllen.

Natürlich bekommt mein bei diversen Nachrichtendienste Eilmeldungen herein. Doch sobald ich lese, dass es um Fußball geht, wird die Nachricht umgehend gelöscht. Es interessiert mich schlicht und ergreifend nicht. Diese Veranstaltung hat nicht mal im geringsten Ansatz meine Aufmerksamkeit, Leidenschaft und schon gar nicht meine Zeit verdient.

Aus diesem Grund hatte ich bereits einen Tag vor Beginn diverse »Vorkehrungen« getroffen. Ich habe meine Fußballapp deinstalliert. Sämtliche Fußballpodcasts auf Spotify folge ich nicht mehr, auf YouTube mache ich es genauso. Obwohl diese skandalöse Veranstaltung ihr Echo noch lange in die Welt tragen wird, sollte sich der erste Staub wieder legen, wenn der Fußball beginnt auf Klubebene zu rollen. Kurz bevor dies der Fall sein wird, werde ich wieder in diese Welt, die ich eigentlich liebe, eintauchen.

Dieser Entschluss bringt viel Positives mit sich. Meine Nerven werden nicht strapaziert. Ich habe nicht den Zwang oder Druck mehrere Fußballspiele in einem Tag unterbringen zu müssen. Diese Tatsache wiederum bringt mich zur vermutlich angenehmsten Nebenerscheinung. Ich habe viel mehr Zeit.

Diese neu gewonnene, oder nicht verplante Zeit lässt sich mit den unterschiedlichsten Beschäftigungen füllen. Ich werde meiner Frau bei der Weihnachtsbäckerei helfen. Kann ab und zu vielleicht wieder etwas Lesen. Habe mehr Zeit fürs Schreiben. Kann eventuell auch tagsüber mein Gehirntraining mit Sudokus vorantreiben, und womöglich auch einfach mal eine Platte anhören. Egal was es auch werden wird. Ich verbringe die nächsten Wochen keine einzige Minute (außer jetzt bei dieser Geschichte) mit dem runden Leder.

Ich nutze meine Zeit anderwärtig.

© Thomas Paar 2022-11-24

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