von Sira
In der Berufsschule darf man nicht allzu oft fehlen, sonst wird man nicht beurteilt. Dennoch wagte und schaffte ich es, mir einen Montag freizunehmen – P., mit dem ich seit einigen Wochen eine F+-Beziehung führte, und ich wollten übers Wochenende nach Ungarn. Er kennt dort eine wunderbare Teichanlage, bei der man sich eine kleine Hütte mieten und den ganzen Tag angeln kann. Am Freitag holte er mich mit vollbepacktem Auto von der Berufsschule ab und wir fuhren los. Im Auto spielte Musik mit dröhnender Lautstärke, Hip Hop und Deutschrap, die Rückbank und der Kofferraum waren komplett voll gestapelt, zwischen uns standen eine große Dose Red Bull und ein Aschenbecher. Gute zwei Stunden später waren wir schon da. Die Hütte hatte zwei Stockbetten, einen Tisch mit zwei Stühlen, einen Kühlschrank und immerhin eine Steckdose. Ein Badezimmer gab es nicht, aber das hatte P. mir schon im Voraus gesagt. Wer Wert darauf legt, kann am nahegelegenen Campingplatz duschen, und etwas abseits der Hütten gibt es eine hölzerne Bruchbude mit WC. Oder man mietet eine der teureren Hütten, bei denen beides vorhanden ist.
Die Reihenfolge, was nach unserer Ankunft geschah, war simpel: Alles Bier bis auf jeweils eins für uns in den Kühlschrank, Angeln aufbauen, Lagerfeuer machen. Dann erst wurden die weiteren Taschen ausgepackt. Viel hatten wir eh nicht dabei – warme Klamotten (es war ein kalter April und die Hütte ist unbeheizt) und Essen, in erster Linie. Es türmten sich Futter fürs Lagerfeuer, Fleisch, Dosen, Erdäpfel und Marshmallows, außerdem Kekse, weitere Süßigkeiten, Chips, Manner. P. hatte Alu-Teller dabei, um das Fleisch auf dem Lagerfeuer zubereiten zu können.
P. ist ein leidenschaftlicher Angler. Wenn man ihn lässt, sitzt er einfach stundenlang da, bastelt an den Angeln, lässt den Blick über das Wasser schweifen, tüftelt, welche Montage ihm am ehesten einen Fisch beschert. Und wenn man ihm eine Freude machen möchte, lässt man ihn über all das reden. Ich selber angle nicht, bin aber gerne dabei, lese ein gutes Buch, schreibe an einem nicht ganz so guten, genieße mein Bier und ab und an Marshmallows. Dennoch weiß ich mittlerweile erstaunlich viel über das Angeln, die Namen der Fische, was sie wann am liebsten beißen, welche Köder (ob Mais, Boilies, Brot, Würmer, Maden, Futterspirale, Lebendköder, etc.), welche Rute mit welcher Schnur, welche Stelle im See (Ufernähe? Nahe der Seerosen? Oberfläche oder lieber am Grund? Hat es denn geregnet, wie warm ist das Wasser?) bieten die größte Chance auf welchen Fisch? Wenn ich das Piepen höre und P. in den Drill geht, stehe ich mit dem Kescher bereit und hole die Abtropfmatte. Zu Weihnachten schenkte ich P. mal eine Fischwaage (ein Netz an einem Haken, damit er den Fisch nicht töten muss), das war genau das Richtige.
Es ist schön, dass sich unsere Hobbies so gut verbinden lassen. Wir beide können dort entspannen und jede Minute genießen. Am Montag reisten wir aus unserem ersten gemeinsamen Urlaub wieder ab.
© Sira 2020-07-24