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StephanieP Hingst

von StephanieP Hingst

Story

Welcher dieser Busse ist meiner? Sie sagte, merken sie sich das Nummernschild von ihrem Bus, in dem sie heute den ganzen Tag reisen werden. Meiner ist weiß, schlicht weiß, daran erinnere ich mich. Alles, was ich wollte, war Erdbeeren kaufen und nun stehe ich hier, fühle mich hilflos und in mir steigt Panik auf. Ich rufe dich an, doch du gehst nicht an dein Handy. Die Sonne brennt mir im Nacken, um mich herum ein wildes Touristengetümmel.

Ich weiß nicht einmal genau wo ich hier bin. Irgendeine berühmte Klippe, von hier aus ist es bis irgendwohin nicht weit, ich erinnere mich nicht mehr an ihre Worte. Sie war mir unangenehm, schon beim Einsteigen heute Morgen. Wir hetzen von Aussichtspunkt zu Aussichtspunkt, sie rattert ihren Text herunter und gibt mir das Gefühl, als wären wir ihr lästig. Ihre Geschichten gleichen denen von unserer vorherigen Touristenführerin, die uns auf die Nachbarinsel begleitet hatte, zwei Tage zuvor. Vielleicht lernen sie gemeinsam die Texte auswendig? Beim letzten Ausstieg gab es Mittagessen, hektisch und schnell wurden wir durch das Restaurant und das Mahl gehetzt. Da haben wir die beiden netten Schweizer verloren, nachdem wir zuvor noch in den Katakomben waren, nichts für schwache Nerven.

Vielleicht verliere ich den Verstand? Gibt es in unserer Familie Alzheimer? Oder liegt es am Klimakterium? Ich lese immer öfter von dem berüchtigten Gehirnnebel. Was gäbe ich für ein freundliches Gesicht, ein Mitreisender aus meinem Bus, der mich einsammelt und mitnimmt. Ich bin völlig überfordert. Von all dem hier. Den Ausflügen, der Reise, von dem, was mich hier erwartet hat, ich war auf nichts davon vorbereitet. Ich wollte mich einfach nur ein bisschen erholen. Hilflos schaue ich mich um und entdecke sie, die von zwei Tagen zuvor, an deren Namen ich mich nicht erinnere. Mit ein paar Worten wende ich mich an sie. Unser Gespräch ist kurz.

Jetzt sitze ich wieder neben dir, hier im weißen Bus und frage mich, wie ich so hilflos gewesen sein konnte. Zurzeit stehen hier nur vier Busse an diesem Aussichtspunkt, zwei davon sind weiß. Warum in aller Welt bin ich nicht einfach auf einen davon zugelaufen und bin eingestiegen? Falls es der falsche weiße Bus gewesen wäre, hätte ich einfach lachend wieder aussteigen können. Ich bin ein patenter Mensch und nicht hilflos, noch nie. Immer habe ich für alles eine Lösung gefunden.

Während du redest, der Bus den nächsten Aussichtspunkt ansteuert, spüre ich tief in mir Angst mein Leben nicht mehr im Griff zu haben.

© StephanieP Hingst 2024-07-18

Genres
Lebenshilfe
Stimmung
Emotional, Inspirierend, Reflektierend
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