Angst ist eine Krankheit…

Lorraine Starke

von Lorraine Starke

Story

Teil II: …Hoffnung ist ihr einziges Heilmittel.

„Lauf schneller“, schreit sie mich an.

Mein Gegenüber blickt mir verzweifelt und mit müden Augen entgegen. „Sei still“, mein erschöpftes Flehen ertönt nicht lauter als ein Flüstern.

„Du musst aber schneller sein!“, beharrt sie weiter auf ihrer Forderung. „Schneller! Schneller!“

Ich kann das nicht mehr hören!

Am Ende meiner Kräfte schließe ich die Augen und halte mir fest die Ohren zu – doch vergebens. Die Stimme ertönt weiterhin in meinem Kopf, scheinbar sogar noch lauter als zuvor. Es reicht! ES REICHT JETZT!

Meine Verzweiflung schlägt in Wut über und entschlossen nehme ich die Hände von meinen Ohren und richte meinen Blick wieder auf mein Gegenüber, welches mir einen ebenso wutentbrannten Blick entgegenwirft. Ich erstarre und eine Welle von Emotionen überkommt mich.

„Warum?“, frage ich sie. Diejenige, die mir all die Jahre meine Gefühle abgesprochen und meine Probleme nicht ernst genommen hat. „Warum tust du das?“

Keine Antwort.

Meine Gedanken rasen, ich kann keinen davon greifen. Alles rauscht an mir vorbei und mein Körper erhitzt sich, wobei sich zugleich darauf eine Gänsehaut breitmacht.

„Lauf schneller“, wimmert sie erneut.

„Nein“, weigere ich mich zögerlich.

„Nein?“

„Genau…nein!“, langsam fasse ich mehr Mut zu widersprechen.

„Aber du musst schneller werden. Jetzt. Los!“, sichtlich erstaunt über mein rebellisches Verhalten, versucht sie ihr altes Muster durch ihre alten Phrasen aufrecht zu erhalten. Doch etwas hat sich geändert. Etwas in mir. Es fühlt sich an, als wäre ich endlich zu einer Art Erkenntnis gekommen. Es ist als hätte ich mich all die Jahre durch einen Wald geschlagen und gekämpft, um den Ausgang zu finden, nur um jetzt festzustellen, dass ich eigentlich die ganze Zeit im Kreis gelaufen bin. Wobei der Ausgang leicht zu finden gewesen wäre, hätte ich mir die Höhe der Bäume zunutze gemacht, indem ich einfach auf sie drauf geklettert wäre.

Ich atme einmal tief ein und wieder aus. Mein Gegenüber schaut mich immer noch erwartungsvoll an. Normalerweise würde ich nun wegschauen, ihrem Blick nachgeben, ihrer Bitte nachkommen. Aber jetzt nicht mehr.

© Lorraine Starke 2022-08-30

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