von Theresa_Haidl
Meine Zähne klappern, meine Hände sind feucht und Angstschweiß sickert aus jeder meiner Poren. Ich starre auf die kalkweiße Decke über mir und höre das ohrenbetäubende Ticken der Uhr. Warum hast du das getan? Du hast panische Angst und hast dich trotzdem angemeldet. Wie selten dämlich kann man denn sein?
Die Tür öffnet sich und ein junger Arzt betritt das sterile Zimmer.
„Hallo ich bin Dr. Kunz. Ach je, du siehst aus als ob du gleich aus dem Fenster hechten möchtest“, witzelt er. „Keine Sorge, du wirst, durch die Narkose, nur einen kleinen Picks spüren.“
„Es liegt weniger an den Schmerzen, mehr an der Spritze im Allgemeinen“, stammle ich.
„Darüber brauchst du dir keine Gedanken machen, ich sorge dafür, dass du sie nicht zu Gesicht bekommst. Und glaub mir, du bist nicht die Einzige mit dieser Furcht.“ Er geht zu einem Waschbecken. „Ich habe zum Beispiel Angst vor größeren Menschenmassen. Ich glaube immer, darin zerdrückt zu werden.“ Als er sich zu mir umdreht, grinst er mich fröhlich an. „Ich höre gerade ein wirklich lustiges Hörbuch, möchtest du während der Entnahme mithören, das lenkt dich bestimmt ab.“
Ich nicke, starre aber weiter auf einen Punkt an der Wand.
„Schließ einfach deine Augen und hör zu.“ Er legt das Handy vor mich und klopft mir auf die Schulter. „Können wir anfangen?“
Ich nicke erneut und er drückt auf PLAY.
„Augen zu.“
Ich schließe die Augen und höre auf die witzige Geschichte eines chaotischen Anwalts.
Ohne Vorwarnung spüre ich den bereits angekündigten Picks und dazu Schmerzen. Ich kralle die Finger in die Unterlage und beiße die Zähne zusammen. Ein Gefühl kriecht an mir herunter, als ob meine Haut am Rücken in einen Staubsauger geraten ist.
Im Hörbuch fängt der Anwalt zu singen an, als mich eine Hand leicht an der Schulter schüttelt.
„Du hast es überstanden. Ich bringe dich auf dein Zimmer. Du musst zur Überwachung noch ein paar Tage hierbleiben.“ Er streicht eine orange zähe Masse auf meinen Rücken und klingelt dann einer Schwester.
Zwei Tage später klopft es an meiner Tür und ich pausiere das lustige Anwaltshörbuch. Das ist wirklich ansteckend.
„Katharina, hier ist jemand für dich.“
Dr. Kunz schiebt ein kleines Mädchen im Rollstuhl zur Tür herein.
„Hey, du Süße, du musst Sophia sein?“
Die Kleine nickt und reicht mir eine Stoffmaus. „Danke, dass du mir das Leben gerettet hast.“ Sie lächelt mich herzlich an und ich lächle zurück.
Für so ein Lächeln gebe ich gern etwas Rückenmark und überwinde meine Angst vor Spritzen.
© Theresa_Haidl 2021-08-08