Ankunft

Engin Alkan

von Engin Alkan

Story

Im Landeanflug bewunderte ich den Schnee, der das ganze Land bedeckte. Wohin ich auch sah, überall war es weiß. So viel Schnee hatte ich davor noch nie gesehen. Das Flugzeug landete kurze Zeit später etwas unsanft. Meine Ohren schmerzten noch vom Landeanflug, da hörte ich, wie die Passagiere plötzlich applaudierten. Wir Kinder erschraken. Der Pilot sprach über die Lautsprecher und es wurde wieder still.

Beim Verlassen der Ankunftshalle hieß die Kälte uns willkommen. Menschen stiegen in Busse, andere wurden von ihren Familien abgeholt. Wir stiegen in ein weißes Taxi und während der Fahrer die Koffer verstaute, machten wir es uns im Auto gemütlich. Wenige Augenblicke später fuhren wir auch schon los. Während der Fahrt sprach mein Vater mit dem Chauffeur. Wir Kinder bewunderten mit großen Augen die märchenhaft verschneite Landschaft und aßen dabei Kekse. Nach einer Weile kam das Taxi in einer kleinen Ortschaft zum Stehen. Auch hier lag überall massenweise Schnee. Wir stiegen aus und standen vor einem großen Haus mit einem riesigen roten Tor. Die Koffer wurden ausgeladen. Plötzlich wurde der Fahrer etwas lauter und deutete auf die Rückbank des Autos. Er war erbost über die Kekskrümmel, die überall auf dem Rücksitz verteilt waren. Mein Vater entschuldigte sich und gab ihm Geld für die Fahrt. Verärgert steckte er dieses ein und fuhr weg.

Wir gingen durch das rote Tor, marschierten über den Hof und kamen über Stiegen in eine im ersten Stock gelegene kleine Wohnung, die nicht beheizt war. Durch die Kälte und den Frost waren Flaschen zerbrochen und das ausgetretene Wasser auf dem Küchenboden gefroren. Wir stellten die Koffer im Wohnzimmer ab, um gleich daraufhin die Wohnung wieder zu verlassen. Nach einem kurzen Marsch im Schnee kamen wir bei Freunden meines Vaters an. Er ließ uns dort zurück und machte sich auf den Weg, um unsere eigene Wohnung vorzuheizen. Von den zahlreichen Kindern wurden wir bereits erwartet. Sie sprachen diesselbe Sprache wie wir. Lachende Gesichter empfingen uns, wir spielten zusammen und tranken heißen Tee.

Unsere erste Nacht verbrachten wir dann in unserem neuen Zuhause, weit weg von den vertrauten Menschen. Keine Spur von Oma, Opa, Onkeln, Tanten und meinen Cousinen. Obwohl unsere Familie nun endlich vereint war, fühlte ich mich doch einsam. Als alle schon schliefen, starrte ich die Decke an und dachte nach. In der Stille der Nacht hörte ich das Knistern des brennenden Holzes im Ofen und beobachtete das Flackern des Feuers, das durch ein kleines Loch im Ofendeckel empor stieg und an der Decke tanzte. Ich fühlte weder Freude noch Trauer. Es war alles zusammen und es war etwas Neues.

Avusturya – das ist unsere neue Heimat, hatte mein Vater kurz vor dem Schlafengehen gesagt. Es würde alles gut werden, meinte er. Mit vielen Fragen im Kopf kuschelte ich mich unter meine Decke und schloss meine Augen. Voller Neugier, was denn meine neue Heimat mir bereits am nächsten Tag bieten würde, schlief ich irgendwann ein.

© Engin Alkan 2021-01-20

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