von Rebecca Borde
Ab heute habe ich mir vorgenommen, erwachsen zu sein. Lange habe ich die anderen Erwachsenen beobachtet. Ich war schon immer von Ihnen umgeben und wenn ich richtig aufgepasst habe, bekomme ich das vermutlich auch hin.
Zuerst habe ich mir eine Klapphülle für mein Handy bestellt. Ich besitze auch eine Fußmatte, auf der „Herzlich Willkommen“ steht und habe mein Profilbild in ein verwackeltes Landschaftsbild aus dem letzten Urlaub geändert. Ich kaufe grundsätzlich alles, was im Supermarkt im Angebot ist, um zu sparen, wo ich kann. Vorher lese ich extra die Werbeprospekte, die ich per Post bekomme und markiere mir, was ich kaufen will. Der Einkaufszettel ist so strukturiert, dass ich mich im Laden systematisch vorarbeiten kann. Natürlich sammle ich auch Treuepunkte und habe Payback. Ich werde nur nervös, wenn ich beim Kassenband keinen Abtrenner zwischen die Einkäufe gelegt habe. Dann beginne ich, aufgeregt mit dem Reißverschluss meiner Übergangsjacke zu spielen.
Außerdem habe ich angefangen, mich öfter zu beschweren. Das gehört doch irgendwie dazu, oder? Im Sommer haben wir eine Bullenhitze, das ist nichts für mich. Da bekomme ich Kopfschmerzen und Kreislauf. Und im Herbst regnet es ständig und es wird so schnell dunkel. Da tun mir sofort die Gelenke weh. Vom Winter und dieser Eiseskälte müssen wir gar nicht erst anfangen und im Frühjahr immer dieser Heuschnupfen.
Ich habe auch angefangen, morgens Kaffee zu trinken und niemand muss mich vor der ersten Tasse ansprechen. Sonntags esse ich ein Stück Kuchen und gehe spazieren, grüße unterwegs aber niemanden. Die Leute hier sind da eher zurückhaltend. Wenn mich aber doch mal jemand fragt, wie es mir geht, sage ich so etwas wie „Muss ja“ oder „Schlechten Menschen geht es doch immer gut“, je nachdem, wie ulkig ich drauf bin. Bei der Verabschiedung will ich dann sowas rufen wie „Du, ich wünsch‘ Dir was! Grüß schön“, aber ich werde nie verraten, was genau ich wünsche und wer da jetzt gegrüßt werden soll.
Wenn ich mal Kinder habe, will ich zu den coolen Eltern gehören. Ich werde Feuchttücher dabeihaben, wenn wir Eis essen gehen und wenn ein Kind fragt, ob es auf die Toilette gehen kann, werde ich sagen: „Ob Du das kannst, weiß ich nicht…“ und dann vielsagend zwinkern. Wenn die Kinder zu McDonalds wollen, werde ich sagen, dass noch Brot zu Hause ist und wer keine Lust auf eine Stulle hat, der hat wohl eigentlich gar keinen Hunger.
Ich fürchte, dass ich wirklich gut aufgepasst habe, aber wenn ich so darüber nachdenke, muss ich vielleicht doch nicht alles übernehmen. Klar, so eine Übergangsjacke ist praktisch. Aber wenn ich daran denke, dass wir nie zu McDonalds fahren können und jeden Abend Brot essen, werden wohl nicht nur die Kinder enttäuscht sein. Eigentlich habe ich auch gar keine Lust, mich so oft zu beschweren. Und ein verwackeltes Landschaftsbild vom letzten Urlaub habe ich auch nicht. Vielleicht würde ich das Ganze auch anders angehen. Vielleicht würde ich meinen eigenen Weg finden müssen.
© Rebecca Borde 2023-11-12