Annäherung an das Unmögliche

Josef-Paul Ecker

von Josef-Paul Ecker

Story

Natürlich bin ich nicht nur das eine Mal mit „meinem“ Bergführer geklettert. Jedes Jahr wieder eine schöne Tour, und so entwickelte sich im Laufe der Zeit zwischen uns eine Bergfreundschaft. Der Vorname des Bergführers war Pauli, und das Lustige daran war, dass mein „Zweitname“, den mir meine Jugendfreude vor langer Zeit gegeben hatten, als wir gemeinsam eine Flasche Rotwein mit dem Namen „Baron Josef di Pauli“ getrunken hatten, Pauli war. Für den Bergrührer war ich jetzt Pauli2.

Die Südwand des Dachsteins war inzwischen für mich ziemlich in den Hintergrund gerückt. Ich machte mir eigentlich keine Gedanken mehr um diese große unerreichbare Wand. Zumindest fast keine mehr…….. Bis ich zwei Jahre später in einem Kletterführer eine Route in dieser Wand entdeckte, den sogenannten „Pichl-Weg“, der zwar nicht direkt zum Gipfel führt und etwas kürzer und leichter ist. Das könnte es sein! Diese Tour traute ich mir zu!
Ich rief gleich meinen Bergführer an und besprach mich mit ihm. Er kannte diese Kletterroute, er hatte sie vor ein paar Jahren gemacht.

Leider passte es in diesem Jahr einfach nie mit dem Wetter. Gegen Ende des Sommers gab es noch dazu sehr frühen Schneefall auf den höheren Bergen. Zum Klettern wäre es viel zu gefährlich gewesen. Wenn da ein größerer Schneerutsch von oben herunterkommt, kann es sein, dass man aus der Wand gerissen wird. Ich liebte zwar den Schnee, aber nur im Winter. Jetzt konnte ich ihn gar nicht gebrauchen.

Aber im Jahr darauf im August war es endlich soweit! Die Monate davor hieß es, die Kondition noch mehr aufzubauen. Diese Kletterroute hatte immerhin 22 Seillängen und ca. 6 Stunden Kletterzeit ohne Zustieg. So lange war ich bisher noch nie geklettert. Inzwischen war ich schon 62 Jahre alt, da baut man schneller ab, als man glaubt. Ich war zwar in den letzten Jahren immer wieder in den Bergen unterwegs und hatte eine gewisse Grundkondition, aber bevor ich mich an die Dachstein-Südwand heranwagte, hieß es trainieren, trainieren. Auch mit Chris kletterte ich wieder. Die ersten Jahre nach meinem Kletterunfall hatten wir es gemieden, gemeinsam zu klettern. Wahrscheinlich brauchten wir beide einige Zeit, um dieses traumatische Erlebnis zu überwinden.

Trotz der jetzt ganz guten Kondition war ich doch etwas nervös, als ich um 3 Uhr früh von zu Hause Richtung Dachstein wegfuhr. Aber die Vorfreude wuchs, je näher ich dem Berg kam. Mit meinem Bergführer traf ich mich unterwegs und gemeinsam fuhren wir weiter. Das Wetter war herrlich, die Sonne war gerade im Aufgehen, als wir am Parkplatz der Südwand-Seilbahn ankamen.
Als wir während des Zustieg der Südwand immer näher kamen und ich diese gigantische Felswand jetzt das erste Mal von unten sah, war ich noch mehr beeindruckt, als wie ich sie vor einigen Jahren im April bei unserer Schi-Tour von oben gesehen hatte. Ein paar Mal blieb ich mit offenem Mund stehen und konnte noch immer nicht ganz glauben, dass ich heute in dieser respekteinflößenden Wand klettern würde.


© Josef-Paul Ecker 2025-02-16

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Abenteuerlich, Herausfordernd, Emotional