Anonymer Falstaff

Gerhard Maier

von Gerhard Maier

Story

Falstaff ist eine der großen komischen Figuren der englischen Literatur, ein dicker Angeber und Genießer. Das wissen die, die auch Shakespeare kennen.

Viele andere Bierkenner glauben aber, Falstaff sei ein Restaurantführer. Ich darf beruhigen, beides ist richtig.

Falstaff, der Restaurantführer, hat die Restaurantbewertung demokratisiert. Ein Netzwerk von 16.000 unbezahlten Testern bewertet im Laufe eines Jahres Restaurants in ganz Österreich und im benachbarten Ausland.

Ich kam wie die Jungfrau zum Kinde zu meinem Testerjob. Ein lieber Wiener Freund teilte mir mit, dass ich jetzt Falstaff-Tester sei, weil er mich angemeldet habe und dass ich im Jahr 20 Restaurants bewerten müsse. Als Lohn dafür erhielte ich die Literatur des Falstaffverlages.

Das war für mich sehr OK, ich fühlte mich gar nicht genötigt. (Und so sollen Jungfrauen zum Kinde kommen? Das muss ich noch mal hinterfragen! Ich lass es mal so stehen.)

Ja, wenn ich schon Tester bin, dann muss ich meinen Senf dazugeben, auch wenn es keine Würstel sind.

Beim Wein glaube ich mich ein bisschen auszukennen. Bei meinen Großeltern gab es immer ein Lager mit Kalterer See, in einem Bierland wie Salzburg keine Selbstverständlichkeit. Bald nach der Kindheit werde ich mein erstes Glas getrunken haben, inzwischen werden schon ein paar Flaschen zusammengekommen sein. Ich habe einige Weinbaugebiete gesehen, in Europa von Portugal bis Kroatien, in Südafrika, Libanon, Kalifornien. Es wird noch viel zu schauen und zu kosten geben.

Meine ersten Restaurantkritiken dürften aufgefallen sein. Ich wurde eingeladen, einen Mister Anonym für eine große Supermarktkette zu spielen, die mit Hilfe Falstaffs Vinotheken ins Sortiment aufnehmen wollte. Einkaufen muss ich ja ohnehin, ich bekam 5 Märkte in der Umgebung zugeteilt, als Lohn gab es ein paar Einkaufsgutscheine.

Ein wichtiger Punkt beim >mystery shopping< war, dass die Mitarbeiter dich zur gesuchten Ware führen müssen!!! Ich war ganz überrascht, das fand wirklich immer statt.

Beim heimischen Supermarkt hatte ich in diesem Winter – außer Dienst – folgendes Erlebnis: Ich suche Vogelfutter und frage eine der Mitarbeiterinnen. Sie geht mit mir zu den Müslis, ich schau sie fragend an. Sie hat gemeint Vogelfutter für meine Frau. Das andere Vogelfutter war bei der Tiernahrung.

Gestern bei der Selfkasse, ich ziehe ein Packerl Käsekrainer über den Scanner , kein Pieps! Die Kassenwächterin löst sich unwillig aus einem Tratsch und belehrt mich. „Ja, wenn du ein Packerl ohne Pickerl nimmst, bist selbst schuld! Da musst schon genauer schauen! Trag das wieder rüber und hol dir ein anderes. Ich pass inzwischen auf dein Zeug auf!“

Sie hat recht gehabt, es gab Packerl mit Strichcode, ich bin durch die Gänge gehuscht und hab das Packerl ausgetauscht, ich Depp.

Der nächste Depp wird wieder mit meinem Packerl kommen. Zu hoffen ist, dass die Heldin des Alltags mehr Zeit hat. Dann könnte sie veranlassen, dass ein Strichcode hinaufkommt.

© Gerhard Maier 2020-05-06