Anruf eines Toten

Franziska Kinskofer

von Franziska Kinskofer

Story

Das soziale Jahr nach der Schule war ein sehr wertvolles, mit Spaß, Tränen und Erbrochenem in der Hand – aber das ist eine andere Geschichte.

Ein Grund, warum ich gerne auf diese Zeit zurĂĽckblicke ist der Mensch, der mich dort begleitet hat. Ein klein gewachsener Mann Ende 50, mit weiĂźem Haar und Bart. An seinem Todestag, im August 19 habe ich einen anderen lieben Menschen verloren, nicht an den Tod, sondern an das Gesetz. Wir saĂźen gerade auf dem Balkon zusammen und verdauten die Hiobsbotschaft mit einer Flasche WeiĂźwein, als ich von seinem Tod erfuhr.

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Fast auf den Tag genau ein Jahr darauf war es befreiend, zum ersten Mal mit meinem Freund über diesen Tag zu reden, an dem sich sein Leben auf den Kopf gestellt hatte. Bis die Ruhe sich mir nichts dir nichts in Luft auflöste, als ich während unseres Telefonats einen Anruf bekam. Ich nahm den Hörer kurz vom Ohr und schaute aufs Display.

DER TOTE stand da zwar nicht, aber dessen Name. Mein Herz hörte kurz auf zu schlagen, bis ich plötzlich wieder anfing zu hören. „Warte kurz.“ „Was ist?“ „Kannst du dich erinnern, an dem Tag ist auch mein Anleiter gestorben.“ „Ja.“

„Er hat gerade angerufen.“

Wir sind beide nicht unbedingt Menschen, die an ein Leben nach dem Tod glauben, aber waren beide baff. „Ruf zurück, schnell.“ „Ich bin so aufgeregt.“ „Ruf mich dann gleich wieder an, ich will auch wissen was war!“ „Mach ich.“ Als wir auflegten, war mein Herz alles andere als still und ich hab angerufen.

„Hallo.“ Keine Antwort. „Hallo“, und nach einem weiteren Moment der Stille, sprach ich den Toten direkt beim Namen an. „Hallo…? Franziska?“ „Hallo? Wer spricht da?“

„Franziska, hier ist [die Frau des Toten]. Es tut mir so leid, ich nehme noch ab und zu sein Handy, weil immer noch manchmal Nachrichten für ihn kommen. Tut mir leid, dass ich dich gestört habe, du hast bestimmt einen Schrecken bekommen.“ „Hallo [], ich weiß gar nicht was ich sagen soll. Ja, ich hab mich erschreckt, ich dachte, jetzt ruft mich ein Toter an. Aber jetzt freut es mich sehr, du störst nicht.“ Mir schossen die Tränen in die Augen, es fühlte sich an, als hätte er uns diesen Anruf geschenkt. „Ich bin auch ganz aufgeregt. Es ist schön dich zu hören, Franziska.“ Und wir kamen halb lachend, halb weinend am selben Ort an und telefonierten fast eine Stunde miteinander, sprachen über ihren Mann und meinen Mentor und sie lud mich zu einem Kaffee ein. „Weißt du noch, wo wir wohnen?“ „Ja, wohnst jetzt ganz allein in dem großen Haus? Machst da noch alles selber?“ „Mei… Ich putz halt nur noch auf Sicht, weißt du.“, schmunzelte sie ein wenig verlegen und ich lachte „Ach, das mach ich jetzt auch schon so.“ Wir verabschiedeten uns und ich rief meinen Freund wieder an.

„Hallo Franzi, was dauert da so lange, ich hab die ganze Zeit gewartet! Was war los?“, fragte er ungeduldig und ich erzählte, was passiert war. „Ja“, lachte er. „Muss eigentlich so sein. Es kann einen ja kein Toter anrufen, oder?“ „Ja“, stimmte ich ein „aber für einen Moment, hab ich das wirklich geglaubt.“

© Franziska Kinskofer 2021-03-16

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