Antimärchen Darstellung eines Tyrannen (2)

Philipp Von Bose

von Philipp Von Bose

Story

“Hey… ist alles in Ordnung?”

“Alles gut, ich wollte nur etwas frische Luft schnappen.”

“Komm dann wieder ins Bett, ja?”, fragte sie ihn zärtlich und zog die Decke näher an sich heran.

“Ich bin gleich bei dir.”, antwortete er ihr freundlich und drehte sich um. Er wollte noch etwas sagen, doch sie war wieder eingeschlafen. Alexander blieb schweigend vor dem Fenster stehen und fühlte sich gestrandet. Etwas hinderte ihn daran, wieder zurück zu ihr ins Bett zu kommen und ihr liebevolle Wörter in den Traum zu flüstern. Seine Rastlosigkeit wuchs und damit auch seine Frustration.

Das Licht ihres Körpers war erloschen und versetzte ihn nun nicht mehr in kindliches Staunen; er spürte weder Neugier, noch Verbundenheit und seine anfängliche Sehnsucht wurde mehr und mehr zu einem Gefühl der Empörung und des falschen Stolzes:

Warum ist sie nicht zu mir ans Fenster gekommen?, dachte Alexander und überzeugte sich selbst davon, dass ihr Ton ihm gegenüber auch nicht besonders freundlich war. Ihm fiel jedoch auf, dass er nicht genau wusste, ob ihre Anwesenheit hier bei diesem Fenster, hier bei ihm, ihn glücklicher gemacht hätte. Vielleicht hätte er dann ja ein schlechtes Gewissen gehabt und sich unter Druck gesetzt gefühlt?

Sie hätte es wenigstens anbieten können… er war beleidigt und erinnerte sich an seine Mutter.

Sie war eine reizende und entgegenkommende Frau. In seinen Augen hätte es keine bessere Mutter für ihn geben können und es tat Alexander immer noch leid, dass er sie verlassen musste, um sein eigenes Leben fern der elterlichen Einflüsse zu führen. Auf seinen Vater konnte man sich seiner Ansicht nach nicht verlassen. Er war ein alter, überempfindlicher Mann, der immer nur das tat, was ihm passte und seine Verwandtschaft in schlechtem Gewissen ertränkte, sobald diese irgendetwas sagten, dass nicht in seinem Sinne war. Deswegen übernahm Alexander nicht nur die Rolle eines guten Sohnes, sondern auch die Rolle eines guten Freundes und telefonierte gewissenhaft jeden Sonntag mit seiner Mutter. Er mochte ihre gemeinsamen Gespräche. Leider teilte sie nicht seine Auffassung der Liebe und gab ihm oft zu verstehen, dass er weniger denken und mehr den Moment genießen sollte. Das traf es nicht ganz. Alexander war durchaus in der Lage, den Moment zu genießen… schlimmer war sein destruktiver Idealismus, der jeden erlebten Moment anschließend hinterfragte und zerstörte. Jede romantische Situation war also absolut und gleichzeitig Teil seines verzerrten Gesamtbildes. Wenn dieses Bild allerdings nicht seiner Version der Liebe nahe genug kam, so war es ungültig. Sowohl sein Hass, als auch seine Einsamkeit wuchsen… die Ideale blieben.

© Philipp Von Bose 2022-05-08

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