von Philipp Von Bose
Alexander verlor sich mehr und mehr in seinen Gedanken. Seine Zukunft schien ihm unvorstellbar ohne die Aussicht auf Liebe. Diese in sich gefangene Verlorenheit war ihm längst bekannt, doch nun hatte sie einen finalen Punkt erreicht. Zusammengekauert saß er auf dem Sofa und fürchtete sich.
“Wenn bloß Mama hier wäre…”, flüsterte er immer wieder vor sich hin und begann zu wimmern.
Plötzlich spürte er eine Hand auf seinem Rücken. Die junge Frau stand hinter ihm und sah ihn liebevoll an. Sie tröstete ihn den Rest der Nacht und er fühlte sich das erste Mal geborgen.
Alexander und die junge Frau heirateten einige Jahre später.
Als seine Mutter starb, fiel er aus allen Wolken und flüchtete. Er ließ alles hinter sich und kam nie wieder zurück.
Seine Frau verbrachte ihre Nächte seitdem schlaflos, hoffend, dass er wiederkommen würde.
Wozu also dieses abrupte, märchenhafte Ende der Geschichte? Alexander hatte doch anscheinend wieder Hoffnung und war auf dem Weg der Besserung, oder etwa nicht? Doch diese Hoffnung war nur oberflächlicher Natur und die plötzliche Verschlechterung seines Zustands nach dem Tod seiner Mutter beweist, dass sie der Ursprung allen Übels war. Sie war sozusagen der böse Drache, die gemeine Hexe, die ungerechte Königin und viele Gestalten mehr. Die Art ihres Umgangs überfüllte Alexanders Seele mit Glück und ließ ihn dann in der “echten” Welt in ein Loch der Paranoia und der gefühlten Vernachlässigung fallen. Er hungerte und war nie wieder im Stande, diesen Hunger für längere Zeit zu stillen. Wie viele Frauen hatten unter diesem Hohepriester der Liebe, unter diesem Tyrannen der Romantik gelitten…
Alexanders größte Tat blieb doch sein Verschwinden.
© Philipp Von Bose 2022-05-08