Apfelstrudel-Liebe

Melly Schaffenrath

von Melly Schaffenrath

Story

„Wann hast du es eigentlich gemerkt?“, frage ich ihn, als wir mit einem Glas Wein anstoßen. „Puh, also, … wann genau, … Keine Ahnung. Das kam so schleichend. Als wir uns kennenlernten, hattest du ja noch einen Freund.“, antwortet er ausweichend.

Wir lernten uns in der Arbeit kennen. Ich arbeitete als Diplomschwester in einer Krankenhausambulanz, er war Zivildiener in meiner Abteilung. Wir verstanden uns gut. Oft waren wir nach der Arbeit mit Arbeitskollegen noch was trinken oder machten Nachts die Bars in Salzburg unsicher. Nicht selten ging das eine nahtlos ins andere über. Nach der Trennung von meinem Freund war ich traurig und verletzt. Der Zivildiener wurde zu einem Freund, dem ich alles erzählen konnte. Eines Abends, als er zu viel getrunken hatte, merkte ich, dass er mich mehr mochte, als nur als gute Freundin. Doch ich war noch nicht so weit. Mit den Monaten war ich über meinen Exfreund hinweg. Aber ich hielt den Zivildiener trotzdem auf Abstand. Falls die Beziehung nicht funktionieren würde, würde ich einen guten Freund verlieren. Davor hatte ich Angst. Außerdem war er ja gar nicht mein Typ, mit langen Haaren und den Metal-Band-Shirts. Aber diese schönen braunen Augen …

Es dauerte ein Jahr, bis ich begriff, dass auch ich mehr in ihm sah. Allen Zweifeln zum Trotz wollte ich es versuchen. Es ist heute 10 Jahre her, dass wir uns das erste Mal geküsst haben. Wir waren abends unterwegs. Bevor wir in die Bar gingen, kamen wir an einem Spielplatz vorbei. Dort lagen wir auf einer Nestschaukel und kicherten über ausgedachte Sternbilder. Dann küsste ich dich. Noch nie fühlte sich etwas so richtig an!

„Aber du wirst doch wissen, wann du gemerkt hast, dass du in mich verliebt bist?“, hake ich nochmals nach. Er denkt nach, sucht verzweifelt nach einer für, mich zufriedenstellenden, Antwort. „Ich weiß es.“, sage ich grinsend. „Ach ja?“, sagt er und schaut mich fragend an. „Ja. Es war damals, als wir mit Arbeitskollegen im Stieglbräu waren. Du hast Apfelstrudel bestellt. Mit Vanillesauce. Ich wollte nichts essen. Als dein Apfelstrudel kam, saß ich da und starrte neidisch auf deinen Apfelstrudel. Irgendwann hab ich dir fast auf den Teller gesabbert, so unbedingt wollte ich was abhaben. Als du mich endlich gefragt hast, ob ich mal probieren will, hab ich nur genickt und im selben Moment meine Hand unterm Tisch hervorgezogen, in der ich die Gabel schon die ganze Zeit in der Hand hatte. Du musstest so Lachen, dass ich alle Zeit der Welt hatte, deinen Apfelstrudel fertig zu essen. Reine Taktik meinerseits, übrigens. Das war er. Der Moment, in dem du dich in mich verliebt hast, stimmts?“, frage ich am Ende meiner Gedankenreise. Er grinst. „Ja, ich erinnere mich. Es war keine Kuchengabel, sondern eine große Hauptspeisengabel, die du da plötzlich in der Hand hattest. Stimmt, das war er, der Moment in dem ich mich in dich verliebt habe.“.

Mein Freund liebt mich, weil ich so verfressen bin. Kann auch nicht jeder behaupten.

Bild: Unsplash, Grooveland Designs

© Melly Schaffenrath 2021-10-10

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