Apollon

Merle B.

von Merle B.

Story

Die Musik schallt blechern in meine Ohren. Mit einer schmerzhaften Grimasse hänge ich mir die Kopfhörer wieder um den Hals und schüttele den Kopf, um die grauenvollen Töne aus meinem Hirn zu bekommen. Seit Jahren gibt es kaum Musik, die mit den Wettstreiten des alten Griechenlands mithalten können. Gott, wie sehr ich diese Zeit vermisse. Die Leiern, die wundervoll melodischen Stimmen. Jetzt war alles von elektronischen Bässen unterlegt. Ein Rascheln hinter mir erregt meine Aufmerksamkeit und ich grinse. Die Frau in meinem Bett streckt sich und reibt sich den Schlaf aus den Augen. Ich hatte sie gestern in einer Jazz Bar getroffen, wo sie die mit Abstand am wenigsten schiefen Töne auf ihrer Gitarre gespielt hat. Man könnte beinahe sagen, sie hatte sehr gut gespielt. Aber nur beinahe. Ich hatte einmal jemanden gekannt, der selbst mich übertroffen hatte, so ungern ich es auch zugebe. Seit her habe ich niemanden mehr gesehen, der an ihn heranreichte. Ein Jammer, dass er schon seit Jahrhunderten tot war.

Die Frau gähnte herzhaft und ich betrachtete sie. Ihre roten Haare lagen ausgefächert auf dem Kissen, lange, weiche Locken. Schwer schluckte ich. Sie war wirklich wunderschön. Die Frau fing meinen Blick aus ihren grünen Augen auf und lächelte leicht. Sie hatte ein elfengleiches Gesicht, eine feine Figur.

„Wie lange bist du schon wach?“, fragt sie verschlafen und drehte sich auf die Seite. Ihre weiße Haut wurde entblößt und erinnert mich umso mehr an alles, was ich verloren hatte. Wie grausam doch die Liebe war. Noch nach Jahrhunderten hinterlässt sie Spuren.

„Nicht sehr lang“, sage ich. Eine Lüge. Bei dieser grausamen Partymusik konnte man ja gar nicht schlafen. So sehr ich die Menschen liebe, so sehr verabscheue ich das Leben in der Großstadt.

Der Blick der Frau gleitet durch meine Wohnung, über die großen Fenster, die das Sonnenlicht in das gesamte Loft fließen lassen, über die goldenen Streifen an den Wänden, über den Bogen an der Wand. Doch woran sie hängen blieb, war der Lorbeerkranz.

„Wieso hast du dort einen Lorbeerkranz hängen?“, fragt sie verblüfft. „Hast du die olympischen Spiele gewonnen?“ So unglaubwürdig war es nicht. Mein Körper war athletisch gebaut, aber ich hatte immer gedacht, meine blonden Locken verrieten mich als Künstler. Ich folge ihrem Blick und lächele. Noch immer waren die Blätter grün, schienen zu leben. Die Frau wartet auf meine Antwort, ich sehe ihre neugierigen Augen. Ich lächele sanft.

„Nur eine alte Erinnerung…“

© Merle B. 2022-04-18

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