von Isabel Kanczer
Ich schluckte – ich wusste nicht, wie viel mehr ich von diesen widerlichen, widerwärtigen Dingern ertragen konnte, und griff zu einer Pinzette. Mir kam nicht einmal der Gedanke, woher es stammte – ich wusste nur, es musste weg. Plopp. Wieder platzte es auf, wieder trat diese verdammte Flüssigkeit hervor, lief aus der Wunde, vermischte sich mit dem Blut, lief an meiner Hand runter, verteilte sich auf meiner sauberen, perfekten Haut. Ich kniff die Augen zusammen, um mich zu beruhigen, doch sobald ich sie öffnete, merkte ich, wie ich meine Anspannung stieg. Überall, wo es auf meiner Haut nass und feucht und rot war, bildeten sich… Schwellungen, Hügelchen, alle weiß, wie kleine Bläschen, alle rund. Plopp. Plopp. Plopp. Ich zerdrückte, zerquetschte sie alle, egal wie oft ich die Flüssigkeit an meine Haut, an mein Gesicht bekam, egal wie weh es begann zu tun, ich konnte diese scheiß Dinger nicht an mir haben. Es war wie eine Trance, ich zerquetschte sie, sie wurden mehr, ich zerdrückte sie erneut, bis ich ein Kribbeln spürte. Ein feines, leichtes Kribbeln in meiner Haut, unter meiner Haut, das sich langsam bewegte. Ich traute mich nicht, nur einen einzigen Finger mehr zu rühren, als ich merkte, dass das Kribbeln meiner Wunde näher kam. Mir blieb die Luft im Hals stecken, als ich winzige, schwarze und behaarte Beine aus der Wunde hervorkriechen sah. Stück für Stück kämpften sie sich frei, krabbelten durch die zerrissene Haut, bis eine Spinne hervortrat. Ich fiel zu Boden – eigentlich wollte ich schreien, mich abfangen, irgendwas tun, doch ich konnte nicht, ich konnte nur zusehen, wie die Spinne auf meiner Haut war, und das Kribbeln unter der Haut nicht weniger wurde, sondern sich nur vermehrte. Wieder kamen Beine hervor. Wieder kam eine Spinne hervor. Wieder kribbelte es. Wieder und wieder und wieder. Auch, wenn meine Hände verkrampft waren, schaffte ich es schließlich, sie freizukriegen und voller Panik die Spinnen runter zu schubsen, über meine Haut zu rubbeln, an ihr zu kratzen, nur um dieses beschissene Kribbeln loszuwerden. Doch es half nicht. Die runter geschüttelten Spinnen begannen, erneut an mir hochzuklettern, neue kamen aus mir heraus. Ich fing an zu schreien, stoppte jedoch sofort, als ich das Kribbeln in meinem Hals wahrnahm. Mir schossen die Tränen in die Augen, doch das Kribbeln wanderte höher, ich biss die Zähne zusammen und weinte, doch ich spürte, wie die haarigen Beinchen auf meiner Zunge kitzelten. Ich wollte meinen Mund nicht öffnen, doch ich hatte keine Wahl, als die Spinnen in meinem Mund keinen Platz mehr hatten. Ich würgte, wollte mich übergeben und röchelte nach Luft, da sie zwar aus meinem Mund krabbelten, doch immer neue nach kamen. Ich war klatschnass, von zu vielen Flüssigkeiten und zitterte unkontrollierbar und flehte nur innerlich um ein Ende.
Um 14 Uhr wusste ich, dass das Ende da war. Ich spürte das Kribbeln in meinen Augen. Ich kniff sie zusammen und schrie so laut ich nur konnte. Plopp.
© Isabel Kanczer 2022-08-30