Arbeit ist wie Jazz Musik

Mein Name ist Nick und ich mag Jazz Musik.

Den nächsten Song habe ich kurzerhand ausgewählt. Die Lautstärke der Musikbox drehe ich beinahe aufs Maximum und summe zu den ersten Klängen des Saxofons. Es ist abends. Der Tag war lang. Die Arbeit war noch viel länger. Ich liege auf meinem Sofa und meine Gedanken beginnen zu kreisen.

Seit sieben Jahren arbeite ich nun schon in der Firma. Wir verkaufen Versicherungen. Es ist nicht besonders anspruchsvoll oder spannend, aber zumindest verdiene ich gutes Geld. Unsere Kunden, hm ja, die liegen uns wirklich am Herzen. Zumindest mir. Meinem Vorgesetzten gefällt das weniger gut. >>Wir sind zum Geld verdienen hier, nicht zum Freunde machen<<, brüllt er mir mit regelmäßigen Abständen als sicherlich gutgemeinte Erinnerung entgegen. Der ungewöhnlich geringe Abstand zwischen seinem erröteten Gesicht und meiner Nase ist mittlerweile ein gängiges Ritual am Montagmorgen geworden.

Das Lied kenne ich. Jetzt kommt der erste Vers. Ich lausche gespannt den harmonisch aufeinander abgestimmten Instrumenten, die gepaart mit einem Text über das farbenfrohe Leben, Eindruck bei mir hinterlassen. Eine kühle Spirituose wäre nun passend. Also greife ich zu einem Glas und fülle es mit einem milden Scotch. Ich spüre allmählich, wie Endorphine mich zur Musik beflügeln.

Die Teambesprechung ist das wöchentliche Highlight für mich. Der Chef berichtet über die angestrebten Ziele und das Erreichte der vergangenen Woche. Wir sind ganz schön performant unterwegs. Besonders meine liebevollen Kollegen, fünf an der Zahl, haben kontinuierlich Erfolge zu vermelden. Mich freut das natürlich, auch wenn ich selbst eher weniger dazu beitragen kann. An sechs abwertende Augenpaare in der Teamrunde, die meines Chefs inklusive, habe ich mich vor einiger Zeit gewöhnt. Das sollte man sowieso nie zu ernst nehmen, denke ich.

Jetzt kommt mein Lieblingsteil, der Refrain. Ich pfeife unüberhörbar mit. Langsam schließe ich meine Augen und spüre den Jazz durch meinen Körper strömen. Als würde ich schweben. Alles um mich herum verschwimmt. Welch ein betörendes Gefühl.

>>Was ist nur los mit Ihnen? Wie kann man nur so bescheuert sein!<<, hallt es von der Seite an mich heran. Gedankenversunken hatte ich meinen langjährigen Kollegen Alex angeschaut. Ich würde ihn fast schon als einen guten Freund bezeichnen. Na klar, manchmal hat man auch Meinungsverschiedenheiten. Meistens geht das von seiner Seite aus. Merkwürdig. Dabei kennen wir uns doch schon so lang?

Die letzten Verse singe ich lauthals mit und schmeiße beinahe mein Glas mit Scotch auf den Boden. Mein Puls rast, ich fühle die letzten Töne des Liedes in meinen Adern schlagen. Und dann, das Saxofon spielt seinen letzten langen Ton. Der Zauber, der bis eben den Raum erfüllte, verschwindet mit ihm.

Auf einmal wird mir bewusst, Arbeit ist wie Jazz Musik. Nur ein wenig schmerzvoller. Aber das ist ja normal. Mein Name ist Nick und ich mag Jazz Musik.