Arbeitslos – Teil 1

Leo-Schreibt

von Leo-Schreibt

Story

So fühlte es sich also an, dieses „arbeitslos“. Was ihn betraf, war es ein Scheißgefühl.

„Mein verdammtes Pflichtbewusstsein hat mich nur zweimal krankfeiern lassen. Und wie lange war ich in dem Laden? Fast 30 Jahre! Und der Dank? Ein Arschtritt!“ grollte Gregor in sich hinein. Für nix und wieder nix hatte er sich jeden Tag den Arsch aufgerißen. Hatte sich nie beklagt. Und all das sollte jetzt nicht mehr zählen? Die Welt war undankbar und ungerecht! Auch wenn die Firma nun einen neuen Besitzer hatte, sein Chef war doch immer noch derselbe. Er kannte ihn doch zu gut. Warum musste er unbedingt mit dem Finger auf ihn zeigen? Und überhaupt! Wer macht denn jetzt die ganze Arbeit? War doch nicht so, dass all die Entlassenen die ganze Zeit nichts zu tun gehabt hatten. Na, konnte ihm jetzt auch egal sein. Er hatte andere Sorgen.

„Die verdammte Wohnung ist noch nicht abbezahlt! Und die Kinder mit dem Studium noch nicht fertig“, schoss es Gregor durch den Kopf. Was sollte jetzt bloß aus ihnen werden? All die Pläne mit einem Wort über den Haufen geworfen: Entlassen!

Seufzend setzte Gregor sich in dem zerwühlten Ehebett auf und betrachtete nachdenklich den Rücken seiner schlafenden Frau. Er hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan und sie lag da, schlief tief und fest, als wäre nicht erst gestern die Katastrophe über sie hereingebrochen. Sie hatte sich natürlich mächtig aufgeregt, als er gestern früher von der Arbeit nach Hause gekommen war und ihr offenbart hatte, dass die Firma künftig auf seine Mitarbeit verzichten wollte. Schließlich hatte sie ihre Tirade mit einem „suchste Dir halt wat Neues“ beendet. Ja, so einfach konnte man sich das machen, dachte Gregor verbittert. Blieb alles an ihm hängen, wie immer.

Er schlug die Decke zur Seite und schwang die Beine aus dem Bett. Das Mondlicht bahnte sich einen Weg durch die zugezogenen Vorhänge. Im Halbdunklen tastete er mit den Füßen nach seinen Pantoffeln und schlüpfte hinein. Leise stand er auf und huschte durch die Schlafzimmertür. Nur mit seiner Unterhose bekleidet, schlurfte er den Flur entlang in die Küche. Die Zeiger der runden Uhr an der Wand standen auf fünf. Fünf Uhr morgens. „Erstmal ’nen Kaffee.“ Mit der dampfenden Tasse in den Händen fühlte er sich dennoch wie ein Fremdkörper in seinem neuen Universum. Er spürte eine Schwere in sich, eine Last, als würden ihn seine ganzen 52 Lebensjahre auf einmal erdrücken. Gregor setzte sich auf den alten, wackeligen Stuhl am Fenster und starrte hinaus in die erwachende Welt. Die Welt von der er nun ausgeschlossen war. „Ist das fair, ist das gerecht?“ beschwerte er sich bei der Fensterscheibe vor ihm. Konnte irgendetwas fair und gerecht sein?

Noch wusste die Welt nicht, dass sie ihn ausgeschlossen hatte. Doch er würde es ihr nicht extra mitteilen müssen. Bald schon würde sie es erkennen. An seinem Gesicht der Verzweiflung, an seinem Gang ohne Hoffnung, dem gebeugten Rücken der Niederlage.

Er hieb mit der Faust gegen die Wand. Der Frust saß tief.

© Leo-Schreibt 2021-04-19

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