von Christine Amon
“Wie alt ist das Tier?”, fragt der Tierarzt, während er sich behutsam über unseren alten Kater beugt. Fritzi ist ein Methusalem für einen Freigänger, er zählt bereits 14 Jahre. Seit ein paar Tagen scheint es ihm schlecht zu gehen, gestern konnte er sich kaum mehr bewegen, seine Beine schienen ihm nicht zu gehorchen.
Unseren Haustieren geht es gut. Nachdem Hund Charly ein Hofhund ist und sowieso nicht ins Auto zu verfrachten ist, haben wir einen Tierarzt, der Hausbesuche macht und nachdem Charly eine Impfung bekommt, schaut sich der Veterinär auch gleich unseren Stubentiger an.
“Bei einem Menschen würde man sagen, der hatte ein Schlagerl”, meint er fachmännisch. Ein. Schlaganfall! Unser Kater! Eigentlich wäre das ja keine große Überraschung – schließlich hielt Fritzi noch nie viel von unnötiger Bewegung. Den ersten Teil seines Lebens hat er schlafend auf der Couch verbracht, aber nachdem wir die Nachbarskatze Minki adoptiert haben, ist die Eifersucht in ihm erwacht und er sucht menschliche Nähe. Sobald es sich jemand auf unserer Küchenbank gemütlich macht, bekommt er Gesellschaft von unserem Kater. Wir haben bereits eine Fusselbürste in Banknähe deponiert, denn Fritzi ist ein bisschen langhaarig und verliert massenweise Haare, besonders dekorativ auf schwarzen Hosen. Aber seine Bewegungseinheiten haben sich dadurch nicht wesentlich gesteigert.
“Nun, Schmerzen scheint er keine zu haben, vielleicht können wir ihm noch etwas Zeit geben”. Ja, Fritzi schnurrt, sobald man sich ihm nähert. Der Fachmann gibt ihm erst eine Spritze, dann zieht er sich in den Vorraum zu seinem Medizinkoffer zurück und braut einen Zaubertrank.
“So – jetzt zeige ich dir, wie du ihm die Medizin gibst! Schau mir genau zu!”. Er nimmt den Kater fest beim Ohr und hält ihm die Spritze mit der Medizin ins Maul. Langsam, damit er schlucken kann, flößt er ihm die Flüssigkeit ein.“Das bekommt er jetzt eine Woche lang jeden Tag”.
Nachdem der Tierarzt die Katze losgelassen hat, zeigt sich sofort die belebende Wirkung der Medizin. Fritzi, der gerade erst kaum gehen konnte, saust davon und stürzt halb mit der linken Vorder- und der rechten Hinterpfote über die Stiege in den Keller.
Der Mediziner verabschiedet sich und wir holen unseren Kater wieder zurück auf den Teppich. Dort richten wir ihm eine alte Decke her, damit er weich liegt und der Teppich nicht verschmutzt wird, falls ihm ein kleines Malheur passiert.
Aber Fritzi läßt sich nicht unterkriegen. Am nächsten Tag wollte er bereits nach draußen, allerdings ging er brav auf dem Gehsteig, anstatt sich mitten auf die Straße zu legen, wie es vorher sein Brauch war. Er wußte schon, wer für ihn bremst und bei wem er sicherheitshalber ausweicht. Sonst wäre er wohl keine 14 Jahre alt geworden!
Und wir hoffen, dass er noch das eine oder andere Jährchen bei uns verleben darf, schließlich ist er uns schon ans Herz gewachsen!
© Christine Amon 2020-12-03