Asmara – Stadt meiner Träume

Judith Rachbauer

von Judith Rachbauer

Story

Ich schließe die Augen und bin wieder da, in Eritrea, in der Hauptstadt Asmara. Tausende Bilder stürmen auf mich ein: die gleißende Sonne Afrikas, der leichte Schwindel, er mich die ersten Tage erfasste, weil diese Stadt auf 2400 Metern liegt, die Kälte in der Nacht, das italienische Flair, abbröckelnde Fassaden, alles ein wenig alt, morbid. Die Menschen sind sehr freundlich, die jungen Frauen und Männer im Alltag westlich gekleidet, wenn es feierlich sein soll aber in weiße lange Gewänder mit bunten Stickbordüren, den langen Schal – die Netsela um den Kopf geschlungen.

Es ist die gute Zeit des Friedensschlusses zwischen dem äthiopischen Präsidenten Abiy und dem eritreischen Alleinherrscher Afewerki. Es liegt etwas wie Entspannung in der Luft. Die Märkte sind sehr belebt, es gibt viel zu kaufen. Wenn wir die Familien unserer Freunde besuchen, wird Enjeera – das eritreische Brot in Fladenform – aus der Zwerghirse Taff gekocht und wir bekommen sogar Soße mit Hühnchen serviert. Am Abend kann man auf den Straßen flanieren, ganz ohne Gefahr oder ohne angepöbelt zu werden. Die Leute sind dann alle in Ausgehlaune. In den Cafes kann man schauen und die Zeit genießen, man kann dort die besten Fruchtsäfte und natürlich Kaffee genießen. Man kann davon träumen, was diese Stadt noch sein könnte, wenn es dort auch funktionierende Kinos gäbe und Theater, wenn es dort die Freiheit gäbe, seine Meinung zu äußern und dieser lähmende jahrzehntelange Militärdienst, der den Leuten alle Perspektiven raubt, vorbei wäre.

Ja, es gibt dort alles: alte Kinos und ein barockes Theater mit roten Sesseln und Grazien auf der Decke. Es gibt auch eine orthodoxe Kirche(Enda Marjam) und eine große Moschee. Aber wer niemanden im Ausland kennt, der Geld schickt, muss auf der Straße Lose verkaufen oder Taschentücher und Erdnusse.

Wir nehmen teil an der kulturellen Kaffeezeremonie, denn Kaffee ist das Hauptgenussmittel hier. Die Kaffeebohnen werden geröstet und ein wunderbarer Geruch breitet sich aus im ganzen Haus, das ohnehin meist nur aus einem Raum besteht. Der Geruch des Kaffees ist ein Segen, deshalb riecht jeder daran, die Kaffeeköchin geht zu allen im Raum mit ihrer Rauchpfanne. Der gemahlene Kaffee wird in einer kleinen Kanne, der Jebena, auf dem Feuer gekocht. Es gibt genau drei Aufgusse von diesem Kaffee. Man sitzt stundenlang einfach beisammen und redet und lacht. Der erste Kaffee ist der gute Kaffee, man sollte das auch äußern: tom bun! Bei der zweiten Tasse redet man über seine Sorgen und Probleme. Der dritte Kaffee ist der, wo du gesegnet bist. Danach machen sich alle auf den Heimweg.

Aber so schnell kann sich hier alles ändern: In dieser Stadt, in diesem Land kann man heute in der Coronazeit nur sehr schlecht überleben. Alles ist seit März im Lockdown. Die Leute haben Hunger. Enjeera wird schon lange nicht mehr mit Taff gekocht.

© Judith Rachbauer 2021-02-02

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