von Michael Vock
Asmodi tat vorsichtig einen Schluck seines heißen Kaffees, der feine Nachgeschmack des Whiskeys kitzelte seinen Gaumen. Den Schmerz, der ihn vorhin am Gehweg tief im Gehirn traf, sah er nicht kommen. Am Boden liegend ängstigte ihn nicht der Gedanke unerwartet zu sterben, sondern die Tatsache, dass er nicht den Drang verspürte Leben zu wollen. Der Griff zur Dienstwaffe zeigte ihm in der Vergangenheit immer auf, welche Begebenheiten in seinem Dasein wichtig waren. Da er das Geheimnis um seinen Vater aufgedeckt hatte und sein treuer Golden Retriever verstarb, fehlte ihm die Motivation zu leben. Es galt sich im Klaren darüber zu werden, welche Träume er hatte und ob sie ausreichten, um ihm eine Existenz zu gewähren. Ob das, was er wollte, das war, was er brauchte.
Sein Blick fiel auf die Ladenbesitzerin, sie spülte wieder Gläser aus und kümmerte sich danach mit einem Staubwedel um die Sauberkeit des Cafés. Nach einer Weile sah sie zu ihm auf, ihre Blicke trafen sich, die feinen Falten um ihre Augen kräuselten sich, sie lächelte ihm sanft zu.
Eine Wärme stieg in seinem Bauch auf. Nein, der Mensch war nicht von Natur aus schlecht, es gab Hoffnung. Seine Mundwinkel hoben sich ebenfalls und er lugte aus dem Fenster Richtung Himmel, die Wolken klarten langsam auf und ein kleiner Sonnenstrahl verirrte sich auf Asmodis Gesicht. Gegenüber des Cafés sah er, ein ihm aus früheren Zeiten bekanntes Tabakwarengeschäft.
Vor Jahren spazierte Asmodi als junger Streifenpolizist ebenfalls über diese Einkaufsstraße. Mit der blankgeputzten Uniform schritt er mit hocherhobenem Kopf und breit trainierten Schultern den Gehweg entlang, träumend von einer großartigen Karriere bei der Kriminalpolizei. Er vernahm in einem Geschäft wenige Schritte von sich entfernt wildes Geschrei. Die Hand am Holster rannte er in den Laden. Im vorderen Teil des Shops stand ein älterer Herr mit grauen Haaren, seine gewaltigen Pranken hielten ein schreiendes und strampelndes Bündel fest. Asmodi gab sich als Polizist zu erkennen und verlangte eine Aufklärung der Situation.
© Michael Vock 2021-06-04