von Hans Fischinger
Eigentlich war jeden Freitag, Samstag und Sonntag Disco. Der neue Kollege Bernhard bildete sich aber ein, es könne doch mehr an Kultur geben, als stundenlang unter mehr oder weniger Alkohol- oder Drogeneinfluss zu lauter Musik auszuflippen. Es gäbe da einen jungen vielversprechenden Pantomimen in Wien. Wir ließen zweifärbige Plakate drucken, stellten 40 selbstgebastelte A-Ständer in Salzburg auf, schafften Ankündigungen im ORF und in mindestens einem Privatsender.
Von den ca.200 Sitzplätzen im Petersbrunnhof waren sechs besetzt. (Der Beleuchter brauchte ja keinen Sitzplatz.) Da war die Frau des Pantomimen, wir drei vom Veranstalter und zwei zahlende Besucher, für die wir die Vergnügungssteuer an den Magistrat abzuliefern hatten; einer war der damalige Intendant des Salzburger Landestheaters, der andere ein Herr aus dem Pongau. Der Unbekannte gab keinen Kommentar ab, aber der Herr Intendant fand den jungen Künstler, von dem man wusste, dass er seine Ausbildung bei Jacques Lecoq in Paris absolviert hatte, großartig.
Peinlich war es dem Pantomimen, die vereinbarte Gage von 700 Schillingen [für meine Enkel: das wären in heutigem Geld € 50,87] anzunehmen, zumal er wusste, dass wir auch noch die 130 Schilling für die Übernachtung für ihn und seine Frau in der Pension in der Wäschergasse zu zahlen hatten und dass unser Budget recht knapp war. Aber ausgemacht war ausgemacht, die Fahrt von Wien nach Salzburg und zurück belastete den Jungkünstler ja auch. Also nahm er das Geld und versprach, einmal kostenlos für uns zu spielen, wenn er berühmt sei.
Dass bei der nächsten alternativen Kulturveranstaltung, die allerdings schon im Raum, wo sonst die Disco stattfand, bereits 21 zahlende BesucherInnen waren, bestätigte Bernhard, auf dem richtigen Weg zu sein. (Der Künstler war diesmal I Stangl.)
Schließlich taten sich Jugendliche zu eine Theatergruppe zusammen. Sie nannten sie „Mitzis Brötzner“ und verarbeiteten ihre Lebenssituationen, Wünsche und Kritiken in bühnenreifen Stücken. Zwei junge Männer gingen nach Paris zu Lecoq, beide wurden erfolgreiche Schauspieler.
Wir, das war das Jugendzentrum MARK, der junge Pantomime war Andreas Vitásek.
Und wenn Vitásek mit seinen Programmen Stadien füllt, werde ich ihn an sein Versprechen aus den Achtzigerjahren erinnern.
© Hans Fischinger 2019-12-15