Anfang Juni schrieb ich, getragen von ehrlicher Sorge um die Erhaltung einer Spezies und damit der Artenvielfalt, einen Aufruf, Fliegen zu retten. Nicht das Fliegen zu retten – das tun viele andere und nehmen dafür beachtliche Beträge in die Hand – nein; die Fliege, die Gemeine Stubenfliege war Gegenstand meines Aufrufes. Schon damals war mir klar: ich mache mich für etwas stark, das in der allgemeinen Wertschätzung nicht ganz oben steht, nicht einmal oben, nicht im Mittelfeld, nicht unten – sondern ganz unten. Aber gerade deshalb nahm ich mich der Sache an: jenen Applaus zu klatschen, die sonst nur den dumpfen Klang der Fliegenklatsche zu hören bekommen, denen eine Stimme zu verleihen, deren Summen bald vergangen sein wird: das ist die wahre menschliche Größe. Glaubte ich.
Und wie wurde es mir gelohnt? Seit einer Woche umschwirrt mich eine einzige, wahrhaft gemeine Gemeine Stubenfliege, sie sucht in meinen Haaren nach Ablagemöglichkeiten für ihren Nachwuchs, verrichtet auf meinem Frühstücksbrot ihre Notdurft und frisst mir die Butter von der Semmel. Meine Ehegattin, rund einen Babyelefanten am Frühstückstisch entfernt, bleibt von diesen Attacken verschont.
Was lernen wir daraus? Auch im Reich der Fliegen hat man einen Story-one-Account. Das sinnerfassende Lesen ist nicht unbedingt eine Stärke dieser User. Vor allem aber, da es sich ja nur um eine einzige Fliege handelt: die Sorge um die Erhaltung der Art sind mehr als berechtigt und werden in geradezu sträflicher Ignoranz verdrängt. Parallelen zum Umgang der Spezies Mensch mit der Klimabedrohung sind erkennbar. Es ist als ob man als Antwort auf die Bedrohung der Menschheit durch den Klimawandel, sämtliche Verbrecher dieser Welt gezielt losschickt, um das Vorhandensein der Spezies zu dokumentieren. Im Bereich der Wirtschaftskriminalität scheint dieses Verhalten der Schmeißfliegen bereits gängige Praxis zu sein.
Und so schickt die Fliegenkönigin – ich nehme an, diese Art ist so staatlich organisiert – so schickt also die Königin eine Fliege vom Dienst weg mit einem klaren Auftrag: da gibt’s doch einen der glaubt ein Intellektueller zu sein. Ein Schöngeist halt, ein Gutmensch, ein Weh. Scheiß ihm den Bildschirm zu, damit er nicht dauernd Lügen über uns verbreiten kann, friss ihm die Butter vom Brot, die er sich ja nur verdienen will, indem er komische Thesen aufstellt. Lege Eier in seine schütteren Haare, damit unter seinem komischen Strohhut ausgebrütet wird, was er leugnet: wir leben und vermehren uns!
Und da ja die Fliegen immer noch weitaus mehr sind als etwa die Bürger der USA ist auch die Macht der Königin weitaus größer. Auf Twitter wird sie daher verbreiten: „Alles Lügen um unser Aussterben! Einem haben wir es jetzt so richtig gezeigt!“
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© Wolfgang Ferdinand Vogel 2020-08-01