von Maria Oberhammer
Ping! Eine Whats-App-Nachricht von Diego aus Mexiko! Ich freue mich, denn ich habe schon länger nichts von ihm gehört. Er hat mir sogar ein Foto geschickt. Es zeigt einen wunderschön geschmückten Altar. Ach ja, in Mexiko begeht man heute den “Dia de los Muertos”, den Tag der Toten. Nach mexikanischem Brauch feiern die Toten gemeinsam mit den Lebenden am 31. Oktober ein fröhliches Wiedersehen mit Musik, Tanz und gutem Essen. In den Häusern werden prächtige Altare gebastelt. Die oberste Stufe zieren Fotos der Verstorbenen, auf den unteren Stufen stehen deren Lieblingsspeisen und – getränke bereit.
Ich zoome näher ins Foto. Ist das nicht…? Ja, ein Porträt von dir, meiner geliebten Mama, die vor wenigen Wochen diese Erde verlassen hat. Anscheinend hat Diego mein Profilbild auf Facebook dafür verwendet, das mich als Baby mit dir zeigt. Du, so glücklich strahlend! Da thronst du nun auf einem festlichen Altar im Haus von Diegos Familie im Norden Mexikos, umringt von deren lieben verstorbenen Verwandten.
Total gerührt lese ich Diegos Zeilen: “Hallo Maria! Meine Familie und ich hab ein Altar gemacht und wir einstellen deine Mutter in der Altar, weil deine Familien ist meine Familien! Viele liebe Grüße!”
Meine Gedanken wandern zurück zu 2015, als der damals 16-jährige Diego nach Wien kam, um für ein Jahr Teil unserer Familie zu werden. Es war die Idee meines mittleren Sohnes einen Spanisch sprechenden Schüler aufzunehmen.
Mit Diego holten wir uns nicht nur einen liebenswerten Menschen ins Haus, sondern auch ein äußerst lebendiges Mexiko.
Natürlich feierten wir mit ihm den “Dia de los Muertos”. Aus farbigem Seidenpapier gedrehte Girlanden schmückten unsere Wohnung und Flammen flackerten in bunten Laternen. In einer Ecke erstrahlte ein – unter Diegos Anleitung gebastelter – Altar mit dem Foto meines verstorbenen Onkels darauf. Auf eine Stufe stellte ich ein mit Rotwein gefülltes Glas für ihn bereit. Denn Zeit seines Lebens hatte er Rotwein geliebt. Was für eine coole Party! Es wurde getanzt und gelacht. Und natürlich gab es neben kulinarischen Leckerbissen auch Corona! Damals nur als unschuldige Biersorte bekannt.
Am Tag darauf, zu Allerheiligen, besuchten wir gemeinsam mit Diego unser Familiengrab am Friedhof. Da hat Diego dich das erste Mal getroffen, Mama. Du warst hocherfreut über diesen lieben Konversationspartner. Endlich konntest du dein Spanisch wieder auspacken, die Zweitsprache des Studiums in deiner Jugend. Du hast Diego überrascht mit deinen Sprachkenntnissen. Bei jedem weiteren Treffen habt ihr euch bestens auf Spanisch unterhalten.
Kann es etwa sein, dass du mir eine Woche nach deinem Begräbnis nun vom anderen Ende der Welt verschmitzt zuwinkst? Dass du es genießt mit Diegos verstorbener Familie in feinstem Spanisch zu parlieren und in ihrer Mitte deinen bezaubernden Charme zu versprühen?
Vielleicht willst du ja, dass ich mein Leben feiere, so wie du jetzt?!
Da entlockst du mir doch glatt ein Schmunzeln!
© Maria Oberhammer 2020-11-02