Auf dem Weg, der in Form einer Lilie angelegt ist.

Angela Buchegger

von Angela Buchegger

Story
2015

Übe ich mich etwa im Fremdgehen? Nein. Schuld daran, dass ich plötzlich ganz woanders unterwegs bin, ist erstens einmal mein Knie, das sich zeitweise mit höllischen Schmerzen meldet. Ich hätte halt nicht mit meinem Enkel Jonas auf Skiern um die Wette flitzen sollen. Nebel und ein Schagloch: Grund genug für einen Sturz. Unmöglich, mich wieder meiner Jakobsweggruppe anzuschließen. Sie reist ohne mich ab, ins Tiroler Oberland.

Doch auf ein paar Pilgertage im Jahr will auch ich nicht verzichten. Ein Buch, geschenkt von einer lieben Kollegin, hat mich auf den Geschmack gebracht.

So werde ich jetzt dem Johannesweg folgen: „Das passt“, dachte ich mir gleich. Nur etwa achzig Kilometer: „Und da oben, auf der Mühlviertler Alm, ist es sicher nicht so steil wie in Tirol“. Eine langjährige Freundin war gleich bereit, mich dorthin zu begleiten. Einen Weg mal nur für uns allein. Um unsere Batterien neu aufzuladen, gemeinsam Zeit zu genießen, um viel zu lachen und um sich zwischendurch auch mal auszuruhen. Das ist unser Plan für diese Pilgerwanderung.

Nun stehen wir beide an diesem sonnigen Frühsommermorgen in Pierbach, am Ausgangspunkt.

Feierstimmung liegt in der Luft. Am nächsten Tag ist ja Fronleichnam. Und es wird auch hier ganz schön steil. Doch wir erreichen planmäßig den Bauernhof der Familie Irxenmaier, mit ihrem Johannesbrunnen. Quelle des Lebens, darin wasche ich mir Gesicht und Hände. Daneben, die Engelskapelle lädt auch zur Einkehr. Ein Blick hinein ins Tal der Waldaist zeigt, dass dieses Gelände hier keineswegs für einen bequemen Spaziergang geeignet ist.

Wackelsteine säumen unseren Weg und die Waldaist plätschert beruhigend. Von einer Hügelkuppe sehen wir schon Schönau vor uns. Dieser Ort ist in die saftig grüne Landschaft eingebettet. Dort treffen wir den ersten Johanneswegpilger. Ein Australier. Ausharrend mit wunden Fußsohlen, auf einer Bank neben der Pfarrkirche. Er ist schon auf dem Heimweg, weil er den Weg aus der umgekehrten Richtung gelaufen ist.

Huch. Ja es wird ganz schön steil! Der Weg lädt uns ein, genügsam zu sein. Unser eigenes Leben umzukrempeln und mit weniger zufrieden zu sein.

Dafür dürfen wir ganz oben am Herrgottsitz verweilen und eine traumhafte Aussicht über das Voralpenland bis hin zu den ersten Gipfeln genießen. So geht es interessant weiter, über die sanften Hügel der Mühlviertler Alm. Wir spielen Burgfräuleins auf Prandegg, nächtigen in einem entfernten Sankt Leonhard, waschen uns im Kaltenbrunner Augenbründl, kommen an der Himmelsleiter vorbei, Schwester Leonilas Kraftplatz inspiriert ebenfalls. Wir stöhnen den Wegererstein empor und laben uns in der Johannesweghütte. Am Kammererberg ist kurz mal die Orientierung verloren. Am vierten Tag geht es selbst gefunden im Schnelltempo zurück über die Ruine Ruttenstein nach Pierbach. Zweiunddreißig Stunden Gehzeit liegen hinter uns, als Christine und ich, gutgelaunt, geblendet vom goldenen Wasser der Narrn, unser Ziel erreichen.

© Angela Buchegger 2021-11-16

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