Auf dem Weg zu mir selber hin

Ulrike Puckmayr-Pfeifer

von Ulrike Puckmayr-Pfeifer

Story

Ich blättere in meinen Tagebüchern aus längst vergangenen Zeiten. Ich finde einen Eintrag vom 20.Februar 2000. Das ist jetzt 20 Jahre her. Irgendwie befand ich mich immer in einer Dauer-Ehekrise. Heute verstehe ich alles besser. Wenn zwei Menschen mit schwieriger Kindheit und Jugend eine Verbindung eingehen, liegen Glück und Schmerz sehr eng nebeneinander, sind ineinander verwoben und lassen die Liebe schmerzvoll werden. Es gibt ein Buch mit dem Titel „Warum Liebe weh tut“. Das hat mich sehr angesprochen. Nun zu meinem Eintrag:

Es zieht mich so weg von dir…. Ein Viertel Jahrhundert Abhängigkeit ist mir genug. Zu lange schon habe ich in fremden Häusern gelebt, in fremden Küchen gegessen und Wein getrunken und Zigaretten geraucht – zu viel. Viel zu viel. Meine Gefühle weggetrunken und meine Gedanken weggeraucht. In fremden Betten habe ich gelegen – zu lange schon, meinem Körper fremder noch als fremd. Und Sätze habe ich mich sagen hören-von weiter Ferne her. Und ein Lächeln lächeln, zurück lassend im Gesicht ein schmerzliches Gefühl. Wo habe ich mich verloren? Habe ich mich jemals gehabt? Eine Fremde tragen meine Schritte durch die Straßen, vorbei an Schaufenstern, die von schönen Dingen überquellen. Kleider, Kosmetika, Möbel, die frau haben müsste, sollte, um „wertvoll ” zu sein. Und doch machen diese „Dinge“ nicht satt. Der Hunger bleibt, der Hunger nach Liebe und Anerkennung. Manchmal-der Versuchung nicht widerstanden-ein Kleid gekauft oder eine Handtasche oder ein Kosmetikprodukt – mit den „Schätzen “ nach Hause gekommen, sie vor dem ewig sparenden Ehemann, der sicher weiß, welche Dinge man zum Leben wirklich braucht, versteckt, hinterlassen sie einen bitteren Geschmack im Mund, auf den Lippen, einen Anflug schlechten Gewissens in der Seele. Und der Hunger bleibt. Es wird Zeit, mich auf den Weg zu machen zu mir selber hin. Und meine eigenen Sätze schreiben, meine eigenen Worte sagen, meine eigenen Schritte gehen, zurücklassend den Müll vergangenener Tage, wegwerfend und loslassend alle Dinge, die nicht meine sind. Und frei sein von den Fesseln der Vergangenheit, den tausend Abhängigkeiten, dem Netz tausendfacher Verstrickungen in Gedanken und Gefühle, die nicht meine sind. Vielleicht ist alles schon zu spät. „Wer jetzt kein Haus hat, wird….“ Positiv denken! Positiv denken! Positiv denken! Deine negativen Gedanken ziehen das Negative an.

Heute blicke ich auf mein Leben von damals zurück. Ich habe mich auf meinem Weg zu mir selber hin weiter bewegt. Das Positiv-Denken habe ich kritisch hinterfragt. Der Zwang zum Glücklichsein macht nicht glücklich. Trauer ist ein Teil des Lebens. Ich habe Yoga versucht, in eine Meditationsveranstaltung hineingeschnuppert, mich mit Buddhismus beschäftigt. Der Weg ist nicht zu Ende. Die Reise zu mir selber hin geht weiter. Und es gibt Momente, in denen ich das Gefühl habe, bei ganz mir zu sein, mit mir und dem Universum verbunden als Teil einer zeitlosen Unendlichkeit.

© Ulrike Puckmayr-Pfeifer 2020-10-03

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