Auf den Fisch gekommen

Silvia Peiker

von Silvia Peiker

Story

Emmi, unsere dreifarbige Glückskatze, liebte es, die wohlgenährten Goldfische meines Vaters aus dem kleinen, gemauerten Teich im Garten, in dem die Seerosen ihre pinken und weißen Blüten bei Sonnenschein öffneten, zu fischen, was dieser so gar nicht schätzte. Geduldig wartete sie Tag für Tag, bis ein neugieriger roter Fisch sein Köpfchen aus dem Wasser reckte, um dann in Windeseile das wehrlose Wesen mittels eines gezielten Schlages ihrer Pfote ans trockene Ufer zu befördern.

Dort hatte sie wohl große Mühe, den glitschigen, wild um sich schlagenden Fischkörper mit ihrem Maul zu fassen, denn sie schaffte es lediglich, ihr armes Opfer einige Meter weit zu transportieren, um es dann mitten im weitläufigen Garten auszusetzen. Die Mühe, die Beute zu verschlingen, lohnte sich wohl nicht für die fleißige Jägerin, denn ihr voller Futternapf, der ja mehrmals täglich gefüllt wurde, wartete ja im Haus drinnen auf sie.

So geschah es, dass ich immer wieder Goldfische in Eimern entdeckte, die meine Mutter aufgestellt hatte, um das Regenwasser aufzufangen. Meistens waren sie noch am Leben und schwammen in der engen, ungewohnten Behausung fröhlich ihre Runden.

Doch wie waren sie dahin gekommen? Hatten wir etwa eine superschlaue Katze, die wusste, dass Fische nur unter Wasser atmen können?

Weit gefehlt, Emmi war für die Rettung der schuppigen Pechvögel nicht verantwortlich gewesen, dafür aber meine demente, fast neunzigjährige Großmutter. Auf Anraten des Arztes spazierte sie täglich auf ihren Gehstock gestützt einige Runden durch den großen Garten, um sich körperlich fit zu halten. Dabei mussten ihr auf dem grünen Rasenteppich wohl rote oder gelbe Farbtupfer, die verzweifelt nach Luft rangen, aufgefallen sein.

Glücklicherweise funktionierte ihr Gedächtnis noch so weit, dass sie sich erinnern konnte, dass Fische ins Wasser gehören. So sammelte sie die Trockenschwimmer ein, um sie wieder ihrem vertrauten Element, dem Wasser, zu übergeben.

Gewundert hat sie sich bestimmt, warum die Wasserbewohner auf dem Trockenen gelandet waren.

Doch als sie wieder ins Haus, wobei sie am idyllischen Fischteich vorbeischlenderte, zurückgekehrt war, hatte sie bereits vergessen, dass sie die Fische aufgelesen und in den mit Regenwasser gefüllten Eimer geworfen hatte.

So rettete unsere liebe, betagte Großmutter, ohne dass es ihr bewusst war, so manchem Goldfisch meines Vaters das Leben – bis Emmi wieder auf Fischfang ging…

© Silvia Peiker 2020-09-15

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