In Göttingen machten wir Rast. Dort erreichte mich eine Kurznachricht. Freunde von uns waren zeitgleich in Thüringen unterwegs. Die Nachricht kam aus Eisenach. Der Ausflug zur Wartburg würde etwas dauern. Vielleicht könnten wir uns später auf dem Marktplatz von Eisenach treffen. Wir ließen das offen, weil wir uns zunächst einmal Mühlhausen ansehen wollten. Die kleine Stadt begeisterte uns durch wunderschöne Fachwerkhäuser. Als wir die Marien Kirche erreichten, deren Turm als höchster Turm Thüringens weithin sichtbar ist, erfuhren wir, dass hier Thomas Müntzer gepredigt hatte. Dem ehemaligen Reformator ist ein eigener Bereich in dem nun als Museum und Begegnungsstätte dienendem Kirchenraum gewidmet.
Da wir auf Bachs Spuren unterwegs waren, verweilten wir nicht länger, sondern folgten der Straße, die uns zum Untermarkt führte. Dort befindet sich die Divi-Blasii-Kirche, an welcher der junge J.S. Bach von 1707 an als Organist tätig war. Es war seine dritte Station gewesen. Die beiden ersten lagen auf unserer weiteren Reiseroute. Neben der Kirche befindet sich eine Statue des jungen Bachs. Die Kirche hat uns durch ihre Höhe und durch ihre schönen Fenster beeindruckt.
Unser Weg führte uns weiter nach Eisenach. Hier wurde J.S. Bach 1685 geboren. Wir hatten Kontakt zu unseren Freunden aufgenommen und trafen sie kurze Zeit später am Marktplatz. In einem Eiscafé tauschten wir uns aus. Während die Beiden weiter nach Weimar fuhren, wählten wir die Route über die schöne Theaterstadt Meiningen, um am frühen Abend von Kerstin und Peter in Bad Rodach in Empfang genommen zu werden. Sie hatten uns ihre Gastfreundschaft angeboten, um mit uns gemeinsam ein paar weitere Orte zu erkunden, an denen Bach gewirkt hatte. Auf unseren Bericht aus Mühlhausen waren sie ganz gespannt.
Am nächsten Tag fuhren wir gemeinsam nach Ohrdruf. Hier hatte alles begonnen. Nach dem Geburtsort Eisenach ist Ohrdruf die erste Station von Johann Sebastian Bach gewesen. Hier wurde er von seinem älteren Bruder Johann Christoph nicht nur aufgenommen, sondern in das Orgelspiel eingewiesen. Der als Organist an der Michaeliskirche tätige Bruder kümmerte sich nach dem Tod der Eltern (1694 und 1695) um die zwei jüngeren Brüder. Johann Sebastian war zu diesem Zeitpunkt knapp 10jährig, Johann Jacob war 13 Jahre alt. Während Johann Sebastian bis März 1700 in Ohrdruf blieb, ging Johann Jacob ein Jahr später zurück nach Eisenach, um sich dort einer musikalischen Ausbildung zu unterziehen. Der 14 Jahre ältere Johann Christoph wurde Vormund und Lehrer von Johann Sebastian Bach. Von der Michaeliskirche steht nur noch der Turm. Das Kirchenschiff wurde im II. Weltkrieg völlig zerstört. Wir sahen uns noch das nahe Schloss Ehrenstein an, bevor wir weiter nach Gotha fuhren.
© Dagmar Lücke-Neumann 2023-06-16