von Mira_Solis
»Ich kündige«, sage ich bestimmt. Ich habe mir nicht einmal die Mühe gemacht, mich hinzusetzen, bin geradewegs durch die gläserne Tür in das Büro meines Chefs marschiert, der mich einen Moment lang irritiert ansieht.
»Wieso?«, hakt er schließlich nach und ich kann es einfach nicht fassen, wie er so überrumpelt sein kann. Seit Wochen, nein, Monaten muss ich todunglücklich ausgesehen haben, als ich ins Büro gekommen bin. Nicht nur, dass mein Privatleben gerade Kopf steht, das Arbeitsklima hier ist auch richtig beschissen, das muss ihm doch bewusst sein. Oder dachte er, dass es sich mit meinem Urlaub erledigt hat?
Wahrscheinlich habe ich einen Moment zu lange geschwiegen, denn er wirft hinterher: »Kann man da nichts machen?«
Ich schüttle den Kopf. Abgesehen davon, dass ich nicht verstehen kann, wie er mich bei meiner derzeitigen Arbeitsleistung behalten will – denn meine Motivation tendierte mittlerweile gegen null – steht mein Entschluss einfach fest. Da gibt es nichts mehr daran zu rütteln. Meine Schmerzgrenze ist erreicht.
»Nein, ich will weg. Ins Ausland. Portugal. Und ich weiß überhaupt nicht, ob ich wieder zurückkommen will.«
Das ist eine Offenbarung, der man schwer etwas entgegensetzen kann und so nickt er einfach seufzend. »Schade«, meint er noch resigniert.
Als ich wieder auf meinen Arbeitsplatz zurückkehre, fühle ich mich richtig leicht, wie ich mich so auf meinen Stuhl fallen lasse. Meine Kollegin sieht mich eindringlich an. Die Wände hier sind dünn, natürlich hat sie alles mitgehört. »Ja, so ist das«, bestätige ich die stumme Frage in ihrem Blick und sie lächelt.
Ich beginne, meine offenen Aufgaben aufzuräumen und plötzlich wirkt dieses Büro gar nicht mehr so kalt und isolierend, denn ich fühle mich wieder frei.
Als hätte ich den Stein nur ins Rollen bringen müssen, lösen sich in den nächsten Wochen alle Herausforderungen wie von selbst. Mit einem nie dagewesenen Selbstbewusstsein vertrete ich mein Ziel, stelle meine Familie vor vollendete Tatsachen, kündige Verträge und packe mein Leben schließlich in Kartons, die ihren Platz auf dem Dachboden meiner Eltern finden.
Plötzlich erscheinen mir Fragen, wie die nach der Krankenversicherung, die mir meine Entscheidung früher unmöglich gemacht hätten, so lächerlich. Alles lässt sich irgendwie arrangieren.
Diese Entscheidung ist ganz allein meine, aber irgendwann beschließe ich doch noch, dir von meinem Vorhaben zu erzählen. Ich schreibe dir eine Nachricht auf WhatsApp, dass ich gehen werde und dir alles Gute wünsche.
Deine Reaktion ist fast so schlecht, wie in jenem Moment, als ich dich gefragt habe, ob du lieber mit Alex zusammen sein willst, nachdem sie mir erzählt hat, dass du mit ihr geschlafen hast. »Are you crazy??? You’re going to ruin your life!!«
Eigentlich sollte ich gar nicht überrascht sein, aber irgendwie gibt mir deine Emotionalität auch eine gewisse Genugtuung, also schreibe ich dir, was du mir geschrieben hast, als du einfach verschwunden bist. »lol relax. I’m coming back.«
All ihrer Sorge zum Trotz freuen sich sowohl meine Familie als auch meine Freunde für mich. Aber du, du sagst mir, dass ich dumm bin.
Ich weiß es noch nicht, aber mir steht das schönste Jahr meines Lebens bevor. Danke, dass du mir das Herz gebrochen hast, du Arschloch.
© Mira_Solis 2025-01-31