August in Wien

Maria Büchler

von Maria Büchler

Story

Einige Jahre lang hatte ich die Möglichkeit, im August ein Apartment in der Hahngasse zu mieten. Der Vorteil bei längerem Aufenthalt: viel Zeit, denn Touristen stehen oft unter Druck. So konnte ich es gemütlich nehmen und in den Tag hineinleben. Oft setzte ich mich in einen Park und beobachtete die Leute.

Zwei alte Herren verabschiedeten sich nach einem Schwätzchen voneinander. „Und küß die Hand der Frau Gemahlin“, sagte einer. Auf diese Weise habe ich die altertümliche Formel noch nie gehört.

Nach und nach lernte ich den neunten Bezirk recht gut kennen. Ich freute mich an der Strudelhofstiege, sah mir das Rote Wien mit dem Karl Marx Hof genauer an. In diesem Gemeindebau würde ich gern wohnen.

Bei schlechtem Wetter setzte ich mich in eine Tram oder einen Bus und fuhr die gesamte Linie ab. Manchmal flanierte ich durch die Gebiete der Endstation oder eins der großen Einkaufszentren. Ich entdeckte die wunderschöne Mexiko-Kirche und den für mich faszinierendsten sakralen Bau, die Wagner-Kirche am Steinhof. Ein wahres Juwel, viel zu wenig beachtet von den Wien-Besuchern.

Überhaupt Otto Wagner. Den Gebäuden am „Rive Gauche“, der linken Wienzeile, nachzuspüren, war immer wieder aufs neue schön. Seine pompöse Grabstätte in Hietzing, in der Nähe der kleine Stein von Gustav Klimt: welcher Gegensatz! Es war ein sehr windiger Tag zur Mittagszeit. Den uralten Grüften mit ihren lockeren Ziegeln ging ich lieber aus dem Weg.

In der U-Bahn kommt ab und zu die Durchsage: Bitte, seien Sie achtsam. Zwischen Bahnsteig und U-Bahn-Tür ist ein Spalt. Ein Mann zu seiner Begleiterin: „Hast du das gehört? Da wurde gerade durchgegeben: Zwischen Bahnsteig und U-Bahn-Tür schaut eine Maus heraus.“

Im Alsergrund gefiel mir besonders die Servitengasse mit ihrem Zauber. Dort sind interessante Läden, sogar eine Schoko-Manufaktur. Auf den schattigen Bänken sitzend gab es immer viel zu sehen, sogar eine Kurskollegin aus alten Zeiten und Dirk Stermann mit Kind.

Ein wundervolles Ziel war das Museum für angewandte Kunst. Im Museumsquartier wurden jeden Donnerstagabend Lesungen bekannter Autoren veranstaltet, und auf den Stühlen lagen kleine Überraschungen wie Paperblanks oder kühlende Fächer.

Im Sommer hatten die Theater zwar geschlossen, doch auf den Straßen und Plätzen der Innenstadt fand viel Kultur statt: Magie, Tanz, Musik, Schauspiel, Kunst.

Einmal wollte ich zur Hermesvilla hinaus, aber wie? Am Karlsplatz fragte ich einen Einheimischen. Er beschrieb mir die beste Anreise. Kaum wollte ich zur U 4 hinuntergehen, fing mich ein älterer Herr ab: „Darf ich ihnen raten? Mit dem Bus X sind Sie viel schneller.“ Während ich noch überlegte, näherte sich mir eine Dame: „Aber nein, der alte Trottel! Sie fahren mit der Y bis Hietzing und nehmen dann…“

Bevor jemand einen weiteren Vorschlag für mich hatte, stieg ich in ein Taxi und schaukelte für meine Begriffe preisgünstig nach Lainz. Zurück (und bei den folgenden Fahrten dorthin) war es dann ganz einfach.

© Maria Büchler 2021-02-27