von Nane Weiss
Ich wusste, dass die nächste Zeit nicht einfach wird. Aber das heute gab mir komplett den Rest.
Nun war ich nicht nur frisch getrennt und auf Wohnungssuche, sondern demnächst auch noch arbeitslos. Bravo, Babett. Was Du machst, das machst Du richtig! Jetzt brauche ich erst mal einen Kaffee. Schwarz und am besten intravenös. Und eine Zigarette – was bei mir schon auf einen absoluten Notfall hindeutet. Nicht mal als Mick mir vor vier Wochen die Trennung verkündete, brauchte ich eine. Aber für den habe ich im Moment keinen Nerv.
Vorhin fand ein spontanes Meeting mit unseren Geschäftsführern statt. Aber statt brandaktueller Trends, neuer Kollektionen oder fantastischer Verkaufszahlen wurde der kompletten Belegschaft kurz und furztrocken mitgeteilt, dass das Unternehmen zum Jahresende geschlossen wird. In drei Monaten ist bereits in unserer Abteilung Sense. Aus, Ende, Äpfel, Amen. Ich stelle mich mit meinem Kaffee vor das Bürogebäude, schnorre mir von einem ebenfalls geschockten Kollegen eine Kippe und versuche, das ganze erst mal sacken zu lassen. Um mich herum lauter Menschen, deren Welt noch vor wenigen Stunden weitgehend in Ordnung war. So wie meine.
Wobei – „in Ordnung“ wäre bei mir maßlos übertrieben. Ich bin gerade auf Wohnungssuche. 3-Zimmer-Küche-Bad und das Ganze im Raum München, möglichst im Südwesten und nicht zu weit weg, damit die Kinder keine Weltreisen zu ihren Schulen machen müssen. Genau, zwei Kinder – 17 und 19 Jahre alt – zwei Meerschweinchen UND ein dicker alter Kater, damit es sich auch lohnt. Das Ganze auch bitteschön recht bezahlbar und nicht unbedingt im windigsten Brennpunktviertel oder im 17. Stock eines Hochhauses. Altbau wäre nett… Ok, ich sehe jetzt schon vor meinem inneren Auge sämtliche Makler mit einem Lachkrampf vom Stuhl fliegen, wenn sie diese Zeilen lesen.
„Babett?“ Meine langjährige Kollegin und Freundin Evi stupst mich an. Auch sie hat sich eine Notfallkippe erschnorrt und steht mit Tränen in den Augen vor mir.
„Was denkst Du?“ fragt sie mich.“Nichts“, raunze ich, „absolut nichts.“ Schlimmer kann es nicht mehr kommen. Mit 45 Jahren bin ich mal eben innerhalb weniger Wochen so richtig schön auf dem Boden der Tatsachen aufgeschlagen, knallhart, mit allen Schikabumsen. Getrennt, übergewichtig, arbeitslos. Mei, vielleicht langts ja für eine Karriere bei RTL2.
Ich habe keinen Plan. Irgendwie wird es schon weitergehen. Es muss. Aber aktuell bin ich einfach nur ratlos und wütend. Ich drücke die Kippe aus und lege den Arm um Evi. Dann gehen wir hoch in unser Büro, fahren die Rechner runter und stempeln heute mal früher aus. Jetzt ist sowieso schon drauf geschissen.
© Nane Weiss 2024-01-05