von Julia Frank
Stoffe auseinander schneiden und dann wieder zusammen nähen. Meine Mama fabriziert dieses Prozedere schon jahrelang. Sie hat bereits unzählige Kunstwerke hergestellt. Sei es eine riesige Patchworkdecke für mein zwei Meter Bett, niedliche Stofftierkatzen oder Hauben für die Kleinsten. Ich habe das jahrelang zwar für gut empfunden aber auch etwas belächelt. In meiner Jugendzeit strotze ich nicht voller Elan mich zur Nähmaschine zu setzen. Da verbrachte ich lieber die Zeit mit meinen Freunden und war unterwegs. Aber Mama hat es Spaß gemacht und ich hatte Freude am Ergebnis.
Als eine meiner engsten Freundinnen ihr erstes Baby erwartete war mir klar, dieses kleine Wunder bekommt eine Babydecke von mir. Ich habe meist das Bedürfnis etwas besonderes, unikates und langlebiges zu schenken. Etwas aus Stoff ist da das absolut richtige. Und schon stapfte ich in Fußstapfen, denen ich noch keinesfalls gewachsen war.
Als unsere besten Freunde ihre Hochzeit bekannt gaben, kam mir bald der Gedanke eine Patchworkdecke für die beiden zu nähen. Aus der Idee eine große für beide wurden zwei Decken im selben Stil aber doch ein bisschen anders. Jedesmal, wenn ich ein Foto von dem Abendprogramm der beiden bekomme. Fernsehen mit einem Glas Wein, zugedeckt mit dem Hochzeitsgeschenk, sprüht ein Funke Glück in mir.
Viele Babys haben in meinem Freundes- und Familienkreis nun Decken in ihren Betten, unter selbstgebauten Höhlen oder im Auto für unterwegs dabei.
In Zeiten wie diesen wird mir immer mehr und mehr bewusst wie sehr dieses selber gestalten, etwas Kreieren, etwas von sich selbst auszudrücken durch Nähen, durch Schreiben, durch Malen, durch Singen, durch was auch immer,… glücklich macht. Eine tiefe Befriedigung etwas essentielles erschaffen zu haben. Ich spinne das Empfinden sogar noch ein Stück weiter. Etwas von Herzen weiter zu geben, ist für mich Glück.
Glück für mich, weil ich mir Gedanken über mein Gegenüber mache und etwas für diesen Menschen gestalte. Und ich mich so tief, mit einer Explosion von Freude mitfühlen kann, wenn der Moment des Schenkens da ist.
Und ein Glücksgefühl bei meinem Gegenüber, der oder die durch das Geschenk immer ein bisschen Glück im Herzen spürt, wenn er oder sie das Geschenk in Verwendung hat. So würde ich es mir wünschen, wenn ich etwas selbstgenähtes verschenke.
Wir leben heute in dieser Krise. Und erst beim Finden des Titels für diese Story wird mir klar wie sehr das Nähen und diese Krise verbunden sind. Auseinander damit man zusammen sein kann. Wir müssen momentan Abstand voneinander nehmen, um wieder zusammen sein zu können.
“Auseinander oder g’heirat wird!“, kennst du diesen Spruch? So oft habe ich ihn gehört. Aber auch er hat was mit dieser Metapher zu tun.
Und nun. Ich sitze bei jeder freien Minute an meiner Nähmaschine. Schneide etwas Auseinander damit es dann zusammen sein kann. In Freude, in Verbundenheit und bestenfalls im Gefühl des puren Glücks im Herzen.
Danke, Mama!
© Julia Frank 2020-04-29