von JennyHill
Samstag Vormittag.
Ich weiß, dass ich heute Abend ausgehen muss, möchte, werde.
Poldi, seines Zeichens unser vierbeiniger Familienunterhalter, weiß das nicht. Noch nicht. Weil er aber nicht gern alleine bleibt (wer tut das schon?), habe ich eine Taktik entwickelt, um es ihm so erträglich wie möglich zu machen. Das sieht dann so aus:
Vorbereitung: Ich verbringe erstmal den ganzen Tag mit ihm auf dem Sofa.
Schritt 1, gegen 17:00: Ich gehe mit meinem felligen Freund ausgiebig spazieren und jage ihn samt Tennisball durch den Park. Wir kommen nach Hause und ich erkläre ihm, dass mir draußen »sehr, sehr heiß« war und ich nun duschen muss. Er akzeptiert. Scheint alles normal anzulaufen.
Unter der Dusche wickle ich das Schnellprogramm mit Gesichtspflege, Peeling und Beine rasieren ab. Im Wohnzimmer ist alles ruhig, Poldi schaut fern. Vermutlich den Rütter.
Schritt 2, 17:45 Uhr: Nach der Dusche folgt eine Schicht Make-up. Poldi sieht nicht so gut, er wird den Unterschied an mir vermutlich nicht bemerken. Außerdem schlüpfe ich in die gute Unterwäsche und eine Strumpfhose. Darüber streife ich die Jogginghose und ein T-Shirt und ab geht’s aufs Sofa zu Sie-wissen-schon-wem.
Schritt 3, kurz nach 18:00 Uhr: Zeit fürs Abendessen. Für Poldi. Während er frisst, schleiche ich ins Bad, trage die 2. Schicht Make-up auf und toupiere mir die Haare zu einem Dutt. Den kann ich nachher schnell öffnen und habe etwas, das man eine Frisur nennen kann. Im Vorbeigehen hänge ich mein Kleid heraus. Das Geräusch der elektrischen Zahnbürste außerhalb der Randzeiten lockt ihn dann doch wieder ins Bad und er setzt sich mit sehr traurigem Blick vor meine Füße. Bevor er an meinen feinbestrumpften Zehen schnüffeln kann, schnell wieder gemeinsam aufs Sofa. Kuscheln.
Schritt 4, 18:30 Uhr: Im Vorbeilaufen werfe ich wie zufällig Dinge in meine Handtasche. Poldi guckt argwöhnisch, also kombiniere ich mein Rumgelaufe mit der Aufforderung zum Abendspaziergang. Wir machen uns auf den Weg. Ich bin voll geschminkt und toupiert, trage Jogginghosen, Turnschuhe und einen Kotbeutel. Ein fast perfektes Abendoutfit.
Schritt 5, 19:00 Uhr, Finale: Jetzt muss es schnell gehen. Wir kommen zurück und Poldi kümmert sich um sein Welcome Home Leckerli, während ich ins Kleid und die bereits gestern (!) bereitgestellten Schuhe schlüpfe. Ich schnappe die Handtasche, küsse den Hund auf den Kopf und stecke ihm verschwörerisch eine Kaustange zu. Er lässt sie fallen und klappt die Ohren ein. Er hat mich durchschaut. Sein Blick sagt: »Weißt du, ich bin dir nicht böse. Ich bin nur enttäuscht.« Es bricht mir das Herz.
Ich bin sooo kurz davor, aufs Sofa zurückzukehren. Aber ich muss los. Also schließe ich die Tür hinter mir und horche noch drei Minuten daran, ob er auch wirklich nicht winselt. Weil er das nicht tut, kann ich dann endlich gehen.
Bitte sagen Sie mir, dass ich nicht die Einzige bin, die solch eigenartige Dinge tut.
Foto von der grandiosen Nesiba: instagram.com/nesibaa
© JennyHill 2021-08-20