Ausgeschieden.

Thomas Vitzthum

von Thomas Vitzthum

Story
Lindach 2025

FĂŒr viele Menschen ist es kein Problem und die natĂŒrlichste Sache der Welt, aber ich persönlich mag öffentliche WCs nicht besonders gerne. Ich rede jetzt nicht von Pissoirs, wo eine Schlange von Schlangen ÜberflĂŒssiges loswird (neuerdings wird mit der anderen Hand das Handy bedient oder wĂ€hrend der Miktion der Rest vom Bier in die Kehle gegossen), Zeit ist Geld und fĂŒr einen Automatismus, den wir MĂ€nner seit frĂŒhester Kindheit intus haben, brauchen wir keinerlei Controlling. Ich rede von der Ausscheidung hinter verschlossener TĂŒr. AutobahnraststĂ€tten sind fĂŒr mich wie das Tageslicht fĂŒr Vampire. Bei Konzerten oder im Theater sind zumindest ĂŒberschnittene Interessen mit den anderen Notdurftlern vorhanden, aber On The Road gelten andere Gesetze, jeder darf rein.
Aufgrund der Dringlichkeit entscheide ich mich fĂŒr ein Francheiß von 50 Cent, bezahle, sehe zwei offene TĂŒren, atme ein letztes Mal tief durch und setze mich hin. Ich versuche so leise wie möglich zu sein, das sanfte Platschen beim Eintauchen wĂŒrde bei Wertungsrichtern einer Turmspringkonkurrenz wohlwollend zur Kenntnis genommen werden. Auch ich bin zufrieden, warte aber noch ein paar Augenblicke, man weiß ja nie. WĂ€hrend irgendwo zwei SpĂŒlungen synchron starten, rĂŒttelt jemand an meiner TĂŒr. Klar, die Signalfarbe rot bedeutet nicht fĂŒr jedermann automatisch Stopp. Und obwohl es sonnenklar ist, dass diese Kabine besetzt ist, sage ich es trotzdem mit entspannter Vehemenz. Der Mann nimmt neben mir Platz, zĂŒndet sich eine an und beginnt zu telefonieren. Die Frau am anderen Ende lacht, der Mann jetzt auch, und ich lausche dem GesprĂ€ch in einer slawischen Sprache im Freisprechmodus amĂŒsiert zu, wĂ€hrend ich mich auf die Suche nach Papier mache. Meine Hand greift ins Nichts, der Spender ist leer. Ich verdrehe mich und finde lediglich eine ziemlich dezimierte Packung feuchtes Klopapier, nehme es in die Hand und blicke in die Augen eines kleinen Hundes. Darunter die Zahl 42, die Antwort auf die endgĂŒltige Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest. Macht Sinn. Andererseits irritiert mich der Welpe. Was haben sich die Designer dabei gedacht?
Mein Sitznachbar hat mittlerweile fairerweise aufgelegt, so groß kann wohl keine Liebe der Welt sein.
Warum muss ein Hund auf feuchtes Klopapier? Soll es vermitteln, dass eine sĂŒĂŸe, kleine Hundezunge mit all seinen Mikroben das Popschi sauber leckt? Oder soll man sich mit dem Tier als Ganzes von den Ausscheidungsresten befreien? Hunden ist das bekanntermaßen egal, wie sie riechen, die Frauchen und Herrchen sind das Problem. Oder ist das Papier per se am Ende gar nicht fĂŒr Zwei-  sondern fĂŒr Vierbeiner? Ich drehe die Packung um und finde keinerlei Hinweise auf eine Zoohandlung. Einigermaßen beruhigt beende ich meine Sitzung, spĂŒle, schließe die TĂŒr und suche einen funktionierenden Seifenspender. 

© Thomas Vitzthum 2025-07-05

Genres
Humor& Satire
Stimmung
Komisch, Inspirierend, Unbeschwert
Hashtags