Ausgesetzt.

Franz Brunner

von Franz Brunner

Story
Steyr 2024

Direkt vor mir baut sich drohend ein blendend weißer PAX-Schrank auf, links harrt ein Riesenstapel durchsichtiger SAMLA-Boxen neuer Besitzer und rechts blockieren Unmengen von grauen DRÖNA-BehĂ€ltern meinen einzig möglichen Fluchtweg. Hunde werden vor dem Urlaub – wenn sie GlĂŒck haben – im Tierheim abgegeben, quĂ€lende Ehefrauen an der Autobahn-Raststation vergessen – und ich sitze hier und warte auf Frauchen. TemporĂ€r ausgesetzt im Labyrinth eines schwedischen Möbelriesen, Abholung ungewiss. Doch zunĂ€chst zur Vorgeschichte. Beim FrĂŒhstĂŒck war’s, das getPocket-Feature am Notebook schlug mir essenzielle, zum Überleben der mĂ€nnlichen Spezies unbedingt zu beherzigende Maßnahmen vor. Wie kann eine Langzeitbeziehung gelingen? Die Brigitte weiß es – und ich jetzt auch. Immerhin schwebt mir vor, noch lĂ€nger mit meiner mir von höchster Stelle zugeteilten Partnerin zusammenzuleben. Und da hilft mir die Brigitte weiter. Niemals wĂŒrde ich es wagen, diesen Hochglanzlebenshelfer beim Friseur, beim Zahnarzt oder auch im Kiosk anzufassen, das wĂ€re höchst unmĂ€nnlich und ich habe doch ein Klischee zu erfĂŒllen. Aber Online, da kann mir niemand – außer er/sie ist IT-mĂ€ĂŸig gut geschult – da kann mir niemand diesen Fehltritt nachweisen. FĂŒnf Punkte sind’s, wie fĂŒnf Finger an einer Hand, die werde ich mir wohl merken können. Also da wĂ€re 

 Verflixt, mir fĂ€llt gerade nur ein Punkt ein: FreirĂ€ume und Vertrauen. Also gut, fange ich heute eben damit an. Und genau deswegen wurde ich ausgesetzt. Zugegeben, ich habe mein Schicksal gar leichtsinnig herausgefordert. „Wir könnten doch heute, wenn wir zur Vernissage meiner Schwester fahren, einen Abstecher zu deinem Lieblingströdelladen machen, liegt ja fast auf dem Weg.“ Sie ignoriert meine bissige Worteinlage und starrt mich unglĂ€ubig an. „Meinst du das wirklich ernst, du wĂŒrdest da wirklich mit mir hin? Hast du etwa ein schlechtes Gewissen?“ Ich hatte mir zwar eher einen Freudensprung als unverhohlene Skepsis erhofft, dementierte aber umgehend: „Ganz sicher nicht, ich sammle lediglich Karmapunkte, aber wenn du nicht 
..„ „Doch, doch, doch!“ und eine Stunde spĂ€ter waren wir am Einsatzort. Dort hockte ich dann ewig lang auf dem 3er-Sofa SÖDERMANN an der Hauptdurchzugsstraße und ließ die Massen mit den voluminösen gelben und blauen UmhĂ€ngetaschen an mir vorbeiziehen. Manche der Passanten warfen mir einen mitleidigen Blick zu, schienen mein Schicksal zu ahnen. Ausgesetzt, kaufunlustig und nur der Karmapunkte wegen sich seinem Schicksal ergebend harrt der arme Mann auf dem SÖDERMANN aus. Ich glaubte in einzelnen Gesichtern sogar TrĂ€nen zu erkennen, mein ĂŒber Jahrzehnte geĂŒbter Dackelblick verfehlte seine Wirkung nicht, eine Ă€ltere Dame bot mir sogar die HĂ€lfte ihres MĂŒsli-Riegels an. Dankend ablehnend quĂ€lte ich mich hoch und machte mich auf die Suche nach meiner Mitbewohnerin, zum einen aus Sehnsucht, zum anderen, um gröberes Unheil von unserem Bankkonto abzuwenden. Nachdem ich schon eingangs den Vergleich mit dem ausgesetzten Hund bemĂŒht habe, hier ein zweiter. Mit der SpĂŒrnase eines DrogenspĂŒrhundes hatte ich mein Frauchen trotz des wirren Duftgemisches nach wenigen Minuten gefunden. Gerade, als sie sich bei den Duftkerzen fĂŒr die nĂ€chste Invasion der Teelichter rĂŒstete. Ein rasches KĂŒsschen, und ehe ich Pups sagen konnte, war ich auf beiden Schultern mit prallgefĂŒllten gelben Taschen behangen. Na, wenn das keine Karmapunkte bringt. Wie meint doch mein weiser Trauzeuge stets: Happy wife – happy life!

© Franz Brunner 2025-01-28

Genres
Humor& Satire
Stimmung
Emotional, Komisch, Unbeschwert
Hashtags