Autismus und Müdigkeit

Esra Kurt

von Esra Kurt

Story

Seit etwa 2013 merke ich, dass ich bei Situationen, die meine Nerven sehr strapazieren, verdammt müde werde. Da hilft gar nichts, außer sich hinzulegen. Denn wenn ich mich nicht aus der anstrengenden Situation befreien kann oder darf, dann werde ich vor lauter Überforderung aggressiv. Vor allem im Sommerurlaub 2021 sind diese Attacken der Erschöpfung sehr häufig anzutreffen. Jedoch sind alle Beteiligten zum Glück so verständnisvoll, dass ich mich hinlegen darf, sobald mein autistisches Gehirn vor lauter Reizüberflutung die Notbremse zieht. Jedoch war das nicht immer so: Von September 2013 bis Januar 2020 arbeitete ich in einer Behindertenwerkstatt, wo man mich völlig verkannt hatte. Genau genommen hatten die Mitarbeiter und Kollegen dort keine Ahnung vom Autismus-Spektrum. So kam es, dass ich meine Gefühle und Gedanken unterdrücken musste.Jedes Mal, wenn ich über Wolfgang Amadeus Mozart sprach, bekam ich von meinem damaligen Chef folgenden Satz zu hören: „Mozart war der größte Fachidiot aller Zeiten!“ Dieser dumme Spruch hinterließ tiefe Wunden in meiner Seele, die ich manchmal bis heute noch spüre. Aber auch meine Kollegen hielten nicht viel von Mozart und den 1980er-Jahren. Ab 2018 sollte sich dieses intolerante Verhalten meines damaligen Arbeitsumfelds rächen: Aufgrund der Müdigkeit, die sich im Laufe der Jahre in mir angesammelt hatte, neigte ich immer öfter zu Tobsuchtsanfällen. An einem Tag am Ende des Monats Juli im Jahre 2019 hielt ich den Zynismus meines ehemaligen Vorgesetzten nicht mehr aus und verpasste ihm eine heftige Kopfnuss. Daraufhin ging es in meinem Arbeitsleben rapide bergab. Zum Schluss kam es zu einem Polizeieinsatz, der mich traumatisierte. All das war die Konsequenz dafür, dass man von mir verlangte, mein autistisches Verhalten zu unterdrücken.

Aber seit Herbst 2020 geht es langsam mit mir bergauf. Ich kann zwar meine Freude über diese Entwicklung nicht so deutlich zeigen, aber ich merke einen deutlichen Unterschied zu Juli 2019.Ich habe auch endlich gelernt, dass mich mein Körper mit Müdigkeit warnt, wenn mein Gehirn überlastet ist. Dann lege ich mich sofort hin oder – wenn es kein Bett gibt – ziehe ich mich in einem ruhigen Raum zurück und verlange absolute Stille. Dafür haben die Leute, die sich außerhalb meiner Familie befinden, welche jetzt in meinem Leben relevant sind, hundertprozentiges Verständnis. Mir ist es sehr wichtig, dass ich diese Warnsignale meines Körpers beachte. Sonst werde ich zur Furie (bei Männern würde man Hulk als sprichwörtliches Beispiel nehmen), die den ganzen Tag herumschreit. Dies ist ein Zustand, der nicht nur mich, sondern auch meine Umwelt belastet.Doch wenn man die Warnsignale meines Körpers kennt und mich dementsprechend behandelt, dann bin ich ein sehr lieber Mensch.

© Esra Kurt 2021-08-29

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