von Inga Grote
Schmerzgedächtnis
Um mich ist Dunkel.
Der Januar-Frost kriecht in meine Arme.
Ich sehe meine Hand, die den Vorhang hebt, spüre aber den Marmor nicht.
Meine Hand hebt den Vorhang und meine Nase stutzt: Überredet, überrumpelt, überhaupt.
Ich rieche synaptische Ströme wacher Nächte
mit Wach-Grübeln und Wut-Tränen.
Aber jeder weint anders und manche gar nicht.
Jeder erinnert sich anders und ich nicht.
Um mich ist Dunkel. Ich friere.
Allerweltsgesicht
Wir sehen uns nicht oft – aber ich sehe dich überall.
In jedem Auto, das riecht und klingt wie deines.
Hinter dem Lenkrad spiegelt sich der Rahmen deiner Brille.
In jedem, der in deinen Schuhen geht, steht
spiegelt sich dein Leben.
Wir hören uns nicht oft – wenn das Schnurtelefon klingelt,
höre ich mein eigenes Echo am anderen Ende.
Wir sehen uns nicht oft.
Aber ich sehe überall dein Allerweltsgesicht.
Schafkopf
Du liegst neben mir – so fern, wie nie.
Du lächelst – aber traurig.
Hast du dich schonmal gefragt, ob du mich zu sehr magst?
Du legst eine Karte auf den Tisch. Zwei.
Sandkörner rinnen durch die Uhr.
Der Rote lächelt. Herz bricht.
Finger tanzen über vergilbte Karten, Sandkörner, die Schwere zwischen uns.
Liebe sticht.
© Inga Grote 2024-05-21