Baba Yaga

Shila Bli

von Shila Bli

Story

Ich war zwölf, als ich das erste Mal starb. Mit dicken, behaarten Fingern und bösen Augen lachte er, während meine Welt zerbrach. Mein Herz blieb stehen. Zwei Herzschläge setze es aus. Ich wurde wieder geboren mit Kräften, die keiner verstand. Magie, die ihn erstarren ließ. Er starb mit seinen Händen starr um meine kleine Hüfte.

Das zweite Mal starb ich, als Vlad seine Faust um mein Auge bettete. Sechs Jahre voller Versprechen und Gelübde lösten sich in Staub auf, als seine Knöchel mein Gesicht liebkosten. Liebe wandelte sich in Hass und ermordete mich. Drei Herzschläge setze es diesmal aus. Als ich aufwachte, lag ich in einem Meer aus unserem Blut. Meine Kräfte wurden stärker, doch sie forderten auch mehr von mir. Das Summen wurde lauter, die Schattengestalten um mich klarer. Mit jedem Mann, der in meinem Schatten verkam, wurden sie hungriger.

Ich verzog mich in eine Hütte im Wald. Ich wollte nicht töten. Meine Kraft war ein Fluch, der mich mit Rache segnete. Es fraß mich auf. Meine Augen hingen dunkel in ihren Löchern, meine Haut wurde fahl. Ich verlor ein Jahrzehnt meines Lebens nach Vlads Tod. Doch in meiner Einsamkeit fand ich Frieden. Die Schattengänger wurden leiser. Ich hatte Bücher um mich. In den Welten anderer konnte ich mich finden. So vergingen zehn Jahre, vielleicht auch zwanzig. Natürlich konnte mein Frieden nicht ewig währen.

Lautes Schluchzen weckte mich. Sie klopfte an meine Hütte. Ihr kupfernes Haar verbarg ihr blutendes Gesicht. Ich ließ sie hereinkommen und wusch sie. Sie sprach nicht, weinte nur. Ich gab ihr Essen und ein Bett. Fünf Nächte schlief sie vor meinem Kamin. Ich gewann sie lieb, auch wenn sie nicht sprach. Sie war fleißig und half mir die Hühner zu füttern und Kühe zu melken. Manchmal lag ihr Blick zu lange auf meiner Goldkiste. Ich konnte ihren Hunger spüren. Sie wollte mehr. Es machte mir nichts aus, denn ich war so wie sie. Ich wollte auch mehr.

Am siebten Tag verschwand sie und kam mit drei Männern wieder. Mit ihren schweren Stiefeln traten sie meine Tür ein. Vier Hände warfen mich von meinem Bett auf den Steinboden. Sie zeigte den Männern die Kiste mit all meinem Gut. Fünf Nächte hatte ich sie zugedeckt, sie behütet. Die Schattengestalten wurden größer und größer. Sie waren lauter als die lachenden Männer. Und so starb ich zum dritten – und letzten – Mal. Drei Männer und eine Frau erstarrten in meinem Schatten. Als die Schatten mich anbettelten, sie zu füttern, weigerte ich mich nicht mehr. Ich zerstückelte alle vier Körper, kochte sie und legte sie in Salz ein.

Die Schatten aßen und aßen und lockten noch viel mehr ihrer Art an. Die schwarze Kraft wuchs, floss mir mit jedem neuen Schattenwesen stärker durch die Venen. Es gab kein Licht mehr, dass mich vor ihnen beschützte. Das nächste Mal, als die Schatten mich nach einem Opfer fragten, zögerte ich nicht, ihnen ein Kind zu schenken. Heute nennen sie mich die böse Hexe im Wald. Die Dämonin. Die Kinderfresserin.

Mein Name ist Baba Yaga. Ich bin nur eine einfache Frau.

© Shila Bli 2022-08-31

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