von Gudrun
Ich erinnere mich manchmal mit einem Lächeln an unsere Badetage, als wir noch Kinder waren. Samstagabends war Badezeit. Immer. Man steckte mich und meinen Bruder gemeinsam in die Wanne. Halb gefüllt mit meistens zu heißem Wasser, sodass unser Vater erst mal noch kaltes Wasser nachlaufen ließ und kräftig umrührte. Dann durften wir ein bisschen einweichen. Immer mit der Ermahnung, nicht das ganze Badezimmer unter Wasser zu setzen. Das konnten wir nicht versprechen. Entgegen allen guten Vorsätzen geschah das immer ganz von selbst, und letztendlich beschuldigten wir uns gegenseitig, damit angefangen zu haben.
Da unsere Mutter die Ausflüchte zur Genüge kannte, ging sie gar nicht lange darauf ein. Sie war der Meinung, es sei reine Zeitverschwendung, eine Gardinenpredigt zu halten, wegen Dingen, die sowieso nicht zu ändern waren. Also griff sie sich ein Behältnis, das immer auf dem Badewannenrand zu finden war und übergoss uns kurzerhand und ungefragt mit einem großen Schwall Wasser. Das hatte erst mal ein nach Luft schnappen und dann großes Protestgeschrei zur Folge. Wir wussten genau, was uns blühte, und wir hassten es: Haarwäsche. Mama verteilte das Shampoo gleichmäßig auf beide Köpfe und rubbelte kräftig und ziemlich rücksichtslos. Rücksichtslos in der Hinsicht, dass es sie nicht scherte, wenn uns Seife in die Augen lief. Es juckte und brannte, die Augen tränten und wir protestierten lauthals. Nach der Haarwäsche hatten wir Augen, so rot wie die Albinohasen des Nachbarn. Nach. erfolgreicher Ganzkörperwäsche wurden wir in große Tücher verpackt. Fest eingewickelt wie Mumien, bewegungsunfähig. Das Ganze folgte einem perfiden Plan. Ich war in diesen Momenten starr vor Angst. Hätte nicht fliehen können, selbst wenn ich nicht eingewickelt gewesen wäre.
Und dann begann die große Qual. Sie kam mit dem Föhn. Ein vorsintflutliches Monstrum aus den 30-er Jahren. Silbern glänzend und Harmlosigkeit vortäuschend. Dann ging es los, das Böse Ding wurde eingeschaltet, und bald erklangen die Schreie, es sei zu heiß, man solle doch einen größeren Abstand zum Kopf einhalten. Mama versuchte ihr Bestes, aber die Höllenmaschine tat, was sie wollte. Gnadenlos pustete sie abartig heiße Luft in Richtung unserer Köpfe und wir versuchten immer wieder, dem zu entkommen. Zwecklos. Einmal blickte ich zufällig genau in das Rohr dieses teuflischen Gerätes. Rot glühende Drähte sprangen mir ins Auge. Diese Maschine will mich verbrennen, vernichten. Es glühte und pulsierte bösartig, als ob es mich auslache. Du wirst mir nicht entkommen, ich verbrenne dich. Die Panik nahm überhand. Es nahm mir den Atem. Das musste der Teufel sein, der kam, mich zu holen. Das war einfach zu viel. Sang- und klanglos verabschiedete sich mein Bewusstsein, zum Entsetzen meiner Eltern, ins Land der Träume. Nicht sehr lange nach diesem einschneidenden Ereignis wurde die Höllenmaschine durch ein modernes Gerät ersetzt.
© Gudrun 2022-09-11