BADKICKERL

PETER MANDL

von PETER MANDL

Story

Der Ottakringer Schustersohn Erich Brauer (Arik nannte er sich erst später), Mitbegründer der Wiener Schule Des Phantastischen Realismus, Autor und Sänger („Sie ham a Haus baut…“) sah 1939 als 10jähriger, kurz bevor ihn seine Hausmeisterin versteckte und die Nazibarbaren seine Familie ausrotteten, auf der Schmelz ein paar ältere Schlurfs Fußball spielen. “Schpü mit, Bua!” Ein paar HJ-Pimpfe (Hitlerkoppel, weiße Stutzen, HJ-Dolch, Haare kurz, passieren schneidig: Wer ist euer Chef? Chefschlurf: I bin doda da Chef! Ihr spielt da mit Judenbuben? Pass auf, Tepperter: Waunn ana kicken kau, daun schpüda mit, wauna ned kicken kau, daun schpüda ned mid, vaschtehsd? Und jetzda (er lässt ein Fallmesser ausfahren) gehts scheissen! Der braune Spuk dampft eilig ab.

Mein Lebensinhalt so ab 1950 war der besonders in Wien gepflegte “Badkick”, nach dem Krieg praktiziert am Laaerberger Butterteich, später im Stadionbad, Gänsehäufel, Krapfenwaldl etc.

Sogenannte Hundskicker stolperten neben Staatsligastars dem runden Leder entgegen und hintennach. Nur Gustl Starek, schon mit 15 bei Simmering in der Ersten (später Bayern München), lag meistens, umgeben von mehreren jugendlichen Bezirksschönheiten und Bierflaschen, im Gras neben der Tribüne des Sportbassins, wo ein gewisser Dr.Gunther Philipp alias Graf Bobby als Schwimmtrainer strenges Regiment führte.

Hilfreich war der Status einer Art Stammspieler. Da hatte man sein sicheres Leiberl (natürlich virtuell, wir waren ja oben herum nackert), sonst musste man auf seinen Einsatz oft ewig warten. Ich hatte übrigens in Simmeringer Jugendtagen wegen geringer Kampfkraft und filigraner Spielweise den ambivalenten Beinamen “Ballettdame” erworben.

Als ich, schon im reifen Alter von fast 29, nach Salzburg emigriert wurde und beim ASV. in Itzling anheuerte, war ich bald meine größte Heimweh-Sorge los: im Lepi, dem Leopoldskroner Bad, wurde der gleiche aufgeregte und wichtigtuerische Badkick wie in Wien gepflegt.

1973 wurde ein ehemaliger Lieferinger Schotterteich in die kostenlose Freizeitanlage Salzachsee verwandelt und da ging’s erst richtig los. Nach und oft vor Dienstschluss wurden die heißesten Partien angerissen. Vom gefürchteten Polizisten über Modeagent, Banker, Postler, Bundesbahner bis hin zum Tintenfuchs, also mir, war fast jeder Stand vertreten. Der Metzger-Walter, der Fetzinger-Franz, der Mercedes-Hans, der alte Joe, der Brasil. . .

Es wurde gestritten, gefoult, geferserlt und mehr gesimpelt als fach-. Nach jeder Partie, anschließender Dusche und einem Hupfer in die Fluten war eine ausführliche “Analyse” obligatorisch, die meistens länger als das ganze Match dauerte.

Nach und nach dezimierte sich unsere fidele Truppe. Die einen alterten und spielten im Gras Tennis, die anderen bissen in dasselbe, ich graste bis zum 69. Lebensjahr verzweifelt nach Mitspielern, bis mir eine veritable Bandscheiben-Operation die rote Dauerkarte zeigte.

© PETER MANDL 2021-02-18