von Mary-Mitch-Nobby
Schon lange hatte ich vorgehabt meinen kleinen Balkon zu verschönern. Da er so schmal ist, passen keine üblichen Balkonmöbel hin. Es passen sowieso nur maximal zwei Leute darauf. Wieso also nicht die kleinen 50er Jahre Sessel nebeneinander platzieren mit einem kleinen Beistelltisch? Ans Gelände befestige ich noch ein paar Lichterketten. Das macht das ganze noch gemütlicher und romantischer. Der Ausblick gefällt mir. Vor allem an warmen Sommerabenden. Man kann über den Marktplatz schauen. Es ist nah genug alles zu sehen. Aber weit genug um seine Ruhe zu haben. Ich setze mich gemütlich hin und lege die Beine über das Geländer und beobachte den Abend mit seinen Lichtern. Obwohl die Straßenlaternen an sind und die Kirchturmspitze leuchtet, sitzen noch genug Menschen an den Eisdielen und genießen den abendlichen Sommercocktail. Bekannte und Fremde Gesichter sitzen dort. Gesichter die uns, um das war wir haben beneiden. Sich freuen und uns fröhlich begrüßen, wenn sie uns gemeinsam sehen. Es ist Mittwoch und nach 22 Uhr. Trotz allem denkt von ihnen keiner an die Arbeit am nächsten Tag. Das heben sie sich für die Wintertage auf. Wie unbeschwert und glücklich alle dort mit ihren Begleitungen sitzen und den Abend genießen. Stundenlang könnte ich ebenfalls unbeschwert hier sitzen. Aber ein Engegefühl in meiner Brust ist nicht weit entfernt. Wenn sie doch nur wüssten. Ich höre den Schlüssel in der Türe. Du kommst herein und zeigst mir stolz die Wassermelone, die du uns für heute versprochen hast. Du lächelst mich an als du mich auf dem Balkon findest und siehst, dass ich dich ebenfalls überrascht habe. Nämlich draußen sitzend auf meinem kleinen schmalen, geschmückten Balkon. Als wir uns die Getränke und die Wassermelone dort serviert haben, nehmen wir platz und legen beide synchron die Beine über das Geländer. Dein Blick fällt ebenfalls auf den Marktplatz und habe mich gefragt, ob du an dasselbe denkst wie ich noch vor zehn Minuten? Für einen Moment genießen wir den Ausblick. Es ist zwar kein Meeresblick aber immer noch der Marktplatz, an dem wir uns vor 20 Jahren das erste Mal gegenüber standen. Deshalb ist er für uns so besonders. Weißt du noch? Das Engegefühl wird von Minute zu Minute stärker und ich traue mich gar nicht anzusprechen, was mir auf der Seele brennt. Sind wir noch Wir? Oder sind wir nur zwei Menschen die eine schöne Geschichte zu erzählen haben und aus purer Gewohnheit noch hier sind? Als wir uns in der Teenie-zeit kennenlernten, waren wir zu jung um das Thema Beziehung zu verstehen. Aber wir versprachen uns, dass wir uns eines Tages wiederfinden und heiraten. Wann hat es aufgehört, dass ich nicht mehr in dein Leben passte? Konnte man sich einsam fühlen, obwohl man täglich zusammen war? „Woran denkst du?“, wollte ich nun endlich wissen. „An nichts, ich genieße mein Leben und denke dabei an meine Zukunft.“
Ein Wiedersehen gab es, die Hochzeit blieb aus. Die Menschen lächelten uns nicht mehr an. Unsere Beine baumelten nicht mehr über dem Geländer. Meine Erkenntnis bestätigte sich, es saßen nicht wir, sondern du und ich auf meinem kleinen Balkon. Zum letzten Mal.
© Mary-Mitch-Nobby 2024-02-09